Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
Vom Netzwerk:
anhalten können unter diesen Umständen?
    »Nein«, sagte Gulbert plötzlich. Er stellte sich mit dem Rücken zur Wand und drehte sich halb zu Lambanos um. »So geht es nicht. Es ist zu nahe. Wir müssen uns zum Kampf stellen.«
    »Ich stelle mich«, sagte der Zwerg. »Ich halte es auf, du erfüllst die Mission. Leuchmadan darf nicht siegen.«
    Gulbert war hin- und hergerissen. »Wir haben Tote zurückgelassen. Aber wir werden keine Lebenden aufgeben.«
    »Willst du mich beleidigen, Zauberer?«, knurrte Lambanos. Er schüttelte wild die Axt in Gulberts Richtung. »Traust du mir etwa nicht zu, die Kreatur zu besiegen?«
    »Ich, äh …«, stammelte Gulbert. »Wir … wir brauchen dich an unserer Seite. Nur du kennst den Weg!«
    Lambanos grinste so breit, dass man die Zähne hinter seinem wilden Bart sah. »Lass gut sein, Zauberer. Such nicht nach Ausflüchten. Ich bin ein alter Zwerg, und einen Feind aufzuhalten, damit die Gefährten siegen können – das ist eine ehrenvolle letzte Schlacht für einen alten Zwerg! Den Weg findet ihr nun auch ohne mich. Wir stehen im Hauptgang, und der führt geradenwegs zum Herz des Berges. Andernfalls will ich nicht mehr Lambanos Epikatros heißen, sondern ein Halbling sein und in den Bäumen leben.«
    Ich riss die Augen auf. »Da!«, rief ich. »Über dir!«
    Etwas kam durch den Gang hinter uns, aber nicht auf dem Boden, sondern unter der Decke. Wirbelnde Lichtpunkte zogen dort heran, wie der Sternenhimmel zwischen wütenden Sturmwolken.
    Lambanos stemmte die Füße in den Boden und stellte sich dem Ansturm. »Lauft!«, rief er.
    Gulbert zögerte nicht länger. Er fasste mich bei der Hand und zog mich mit sich.
    Im Laufen blickte ich über die Schulter zurück. Die Woge von blauen Funken fächerte auseinander, als sie den Zwerg erreichte, und zwischen den einzelnen Bändern mochte man meinen, einen Leib zu sehen, einen Leib von unsteter Finsternis, in der die Funkengarben glühten wie ungezählte dämonische Augen.
    Lambanos trat beherzt vor und führte einen Streich mit der Axt. Die Funken teilten sich unter dem Blatt, die Finsternis schien um die Klinge herumzufließen. Ich sah etwas wie Fangarme aus purer Dunkelheit. Sie ringelten sich um den Axtgriff, um Lambanos’ Leib.
    Dann verschwand der Zwerg mit seinem weißen Haar und dem stählernen Kettenhemd im Schatten. Nur eine Wolke dieser blau glänzenden Punkte war zu sehen, die hinter uns die Dunkelheit ausfüllte und endlich zurückblieb.
    »Lauf!« Gulbert wiederholte den Ruf des Zwergs.
    Ich rannte durch den Gang, stets im Lichtkreis von Gulberts Zauberstab, und schaute immer wieder über die Schulter zurück. »Was meinst du?«, stieß ich keuchend hervor. »Kann Lambanos mit dem Viech fertigwerden?«
    Gulberts Schweigen und die Eile, mit der er uns vorantrieb, war Antwort genug. Der Zwerg hatte uns ein wenig Zeit erkauft, aber wie diese Zeit ausreichen sollte, um unser Ziel zu erreichen und wieder aus diesen Tunneln herauszufinden, das war mir ein Rätsel.
    Die Seitengänge, die in den breiten Korridor einmündeten, wurden immer seltener und blieben schließlich ganz hinter uns zurück. Gulbert hielt inne, so abrupt, dass er nach meinem Kragen fassen musste, um mich aufzuhalten. Ich wäre sonst achtlos weitergelaufen.
    »Es ist hier«, murmelte der Zauberer.
    »Was?«, fragte ich. »Leuchmadans Herz?« Ich sah mich um.
    Der Gang, in dem wir standen, war fünf Schritte breit. Wände, Boden, selbst die Decke waren schmucklos und glatt. Nichts deutete darauf hin, dass hier etwas versteckt sein mochte.
    »Unsinn, nein!«, erwiderte Gulbert.
    Ich machte verwirrt einen Schritt nach vorne, aber Gulbert stand immer noch an Ort und Stelle. Ich sah zu ihm auf. Der Zauberer hatte die Augen halb geschlossen und schien zu lauschen. Ich erschauderte.
    »Du meinst, das … Ding ist hier? So rasch?«
    Gulbert sah auf mich hinab, verwirrt, als hätte ich ihn aus dem Schlaf gerissen. »Nein«, murmelte er. »Nein, noch nicht. Aber uns bleibt nicht viel Zeit für all das, was zu tun ist.«
    Er atmete tief durch, sein Blick klärte sich wieder. »An dieser Stelle hier ist der Zauber verankert, nach dem ich gesucht habe«, erklärte er. »Leuchmadan ist weit fort in Daugazburg. Ich wusste, er würde sein Herz nicht an diesem Ort zurücklassen, wenn er nicht die Möglichkeit hätte, rasch hierherzukommen. Dieser Gang ist ein Tor. Von hier aus kann Leuchmadan seine magischen Pfade entstehen lassen – und ich kann diese Magie nutzen, um uns

Weitere Kostenlose Bücher