Große Kinder
Fouls« lauthals beim »Schiedsrichter« zu beschweren? Oder hatten Sie und Ihre Bande noch damit zu tun, versteckte Palisaden zu errichten und Erbsenpistolen herzustellen, um den zwar nicht real vorhandenen, dafür aber umso unberechenbareren, unheimlichen, außerordentlich bedrohlichen Gegner in Schach zu halten? Oder ...?
Wie auch immer Ihre persönlichen Erinnerungen sind: Können Sie sich vorstellen, dass solche Spiele auf Anweisung oder unter den Augen von Erwachsenen entstanden wären? Können Sie sich andererseits vorstellen, dass Sie allein, also ohne die anderen Kinder, Ihre Ideen so weit ausgespielt, sich so tief in die Phantasien und Gefühle hineinversetzt hätten? Wären Ihre Gefühle und Erlebnisse in Gegenwart von Erwachsenen oder in Abwesenheit von anderen Kindern genauso aufregend, spannend, herausfordernd, lustig, aufbauend gewesen?
Es scheint, als wäre für die Kinder dieses Alters das Gründen einer »geschlossenen Gesellschaft« an sich schon ein besonderserstrebenswertes Vergnügen. So bilden sich Gruppen, deren einzige gemeinsame Idee es ist, einen Verein zu gründen. Entsprechend führen sie oft nur ein kurzes, aber intensives »Vereinsleben«: Nachdem sich die passenden Mitglieder gefunden haben, ihre Vereinigung besiegelt ist und der Club seinen Namen hat, werden Fahnen, Wappen, Anstecker, Logos, Stempel usw. entworfen, verworfen, beschlossen und angefertigt. Und das war’s dann schon. Wenn das geschafft ist, löst sich die Gruppe oft schon wieder auf, es sei denn, es hat sich inzwischen eine Gegengruppe gegründet, die zum Weitermachen anstachelt. Oder es reizt noch ein neues Ziel, zum Beispiel die Herausgabe einer Clubzeitung oder das heimliche Platzieren der Club-Tags.
Mädchen pflegten und pflegen die Clubinterna offenbar weihevoller als Jungen. So sind für Mädchenbündnisse die Clubnamen außerordentlich wichtig. Sie sind Programm und beinhalten oft das ganze und einzige Gruppenziel, beispielsweise »Club G.I.« (Club gegen Inga). Mädchen blockieren mit dem Clubnamen auch gern von vornherein jede Veränderung der Mitgliedschaft: Wenn der exotisch-geheimnisvoll klingende Name des Clubs aus einer Buchstabenkombination aus den Namen der beteiligten Mädchen zusammengesetzt ist, kann niemand abspringen oder neu dazukommen.
Das höchste und vornehmste Ziel eines jeden Vereins scheint aber auch auf Kinderebene der Besitz eines eigenen »Clubheims« zu sein. Wo es möglich ist, einen Unterschlupf auszubauen und einzurichten, wird dieses Ziel mit großem Eifer verfolgt. Dann ist auch das Gruppenleben offenbar länger und lebendiger, denn der geheime Treffpunkt wird zum alles bestimmenden Gruppenziel. Der technische Ausbau, die notwendigen handwerklichen Fertigkeiten sind dabei oft nicht einmal die größte Herausforderung. Viel aufregender ist es,von Erwachsenen unbemerkt Baumaterialien zu »klauen«, für die Inneneinrichtung aus den Beständen der Elternhäuser eine ganze Aussteuer und das notwendige Mobiliar nebst Lampen und Kerzen zu organisieren und für die Vorratskammer geeignete Speisen und Getränke zu hamstern. Diese Arbeit kann eine Kindergruppe schon mal einen ganzen Sommer lang in Atem und zusammenhalten.
Die Möglichkeiten für Kinder in unseren Breiten, sich ihre geheimen Schlupfwinkel zu schaffen, sind leider beträchtlich geschrumpft. Gleichwohl scheint das Bedürfnis der Kinder, sich überhaupt so etwas wie einen Vereinstreffpunkt zu schaffen, so ausgeprägt zu sein, dass sie trotz aller Einschränkungen halbwegs brauchbare Orte ausfindig machen: wenn nicht im Haus oder Garten eines der Gruppenmitglieder, dann in einem versteckten Eckchen auf dem Schulgelände, in einem verlassenen Winkel im Wohnbezirk, einer unzugänglichen Nische im Park oder in den Kellern der Wohnblocks. Zum Ausbauen, Einrichten und Horten von Vorräten sind diese Plätze meistens jedoch höchst ungeeignet.
Lose Kindergemeinschaften
Die dritte Form von Gemeinschaftserfahrungen, die Kinder besonders im Alter ab 10 Jahren suchen und genießen, sind gemeinsame Aktivitäten mit einer Gruppe von etwa Gleichaltrigen, die sich lose zusammenfinden. Dazu gehören die beliebten Bewegungsspiele, wie Gummihüpfen, Fußballspielen, Schlittschuhlaufen, Schwimmen, Streetball und Skateboardfahren, die teilweise in den Schulpausen betrieben werden oder zu denen sich die Kinder am Nachmittag verabreden. Zu den reizvoll-beängstigenden Auseinandersetzungen und Kämpfchen, die auch heute noch hie und da
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