Große Liebe Desiree
verbergen, die sich nur zu deutlich in ihren Augen spiegelten. »Es fließt zuviel Sparhawk-Blut in deinen Adern, als daß du eine Spur gesunden Menschenverstand zeigen könntest. Anmaßend und edel, selbst der letzte von ihnen wäre bereit, seinen schönen Hals zu riskieren, um eine schiefe Welt geradezurücken. Aber nie, Désirée, hätte ich gedacht, daß ich dies auch bei dir sehen würde.«
»Ach, Großmama«, flüsterte Désirée, »du bist ebenso stolz und ehrenwert, wie Großpapa es war, und ganz genauso tapfer. Ich lasse nicht zu, daß du die Sparhawks allein für das verantwortlich machst, was aus mir geworden ist. Du hast mich großgezogen, an dich habe ich mich gewandt, wenn Großvater, Vater und sogar Jeremiah auf See waren. Solange ich denken kann, wollte ich so sein wie du. Wie kannst du mich jetzt tadeln für etwas, was du ganz genauso machen würdest?«
Mariah legte ihre knochige Hand fest um Désirées Finger, und der Schein des Feuers spiegelte sich in ihren Augen. »Ich kann es ja gar nicht, Kind, das ist ja das Traurige«, sagte sie sanft. »Ich habe nur solche Angst. Eine närrische alte Frau, die sich vor dem Alleinsein fürchtet. Aber du tust recht daran zu gehen. Ich werde dich nicht halten. Komm nur ja wieder zurück, und bring diesen tollkühnen Balg von einem Bruder mit.«
»Das verspreche ich dir!« Désirée umarmte ihre Großmutter und stellte überrascht fest, wie zerbrechlich sie sich in ihren Armen anfühlte. Sie würde zurückkommen, und zwar bald. Sie wollte ihre Großmutter nicht enttäuschen.
Macaffery räusperte sich. »Natürlich habe ich nicht die Absicht, Désirée, Sie allein auf eine so gefährliche Reise zu schicken. Wie ich Ihrer Großmutter bereits erklärt habe, stelle ich mich Ihnen als Begleiter zur Verfügung. Ich kann nicht zulassen, daß die einzige Tochter eines Freundes mit einem Fremden auf See verschwindet.«
»O Colin, was für einen Seemann Sie abgeben werden!« Trotz ihrer Traurigkeit blitzten Mariahs Augen vor Vergnügen. »Sie haben die Passage von Providence nach Halifax zwar gebucht, aber wie kommen Sie darauf, daß die Einladung von Kapitän Herendon sich auch auf Sie beziehen könnte?«
»Wie sollte er das verweigern, wenn er für sich in Anspruch nimmt, ein Gentleman zu sein?« Macaffery wiegte bedächtig den Kopf und wandte sich dann an Désirée. »He-rendons Vertrauen ist der Schlüssel zu allem. Solange er an Obadiahs Unschuld glaubt, wird er bereit sein, seinen Einfluß für uns geltend zu machen. Aber wenn er die Wahrheit auch nur ahnt - bestenfalls wird er sich von Ihnen lossagen, und schlimmstenfalls wird er dafür sorgen, daß Ihr Bruder verurteilt wird. Er darf keinen Verdacht schöpfen, Désirée.«
Désirée war beunruhigt und schwieg. Natürlich war sie ohne Frage auf der Seite ihres Bruders, aber der Gedanke, die Wahrheit vor Kapitän Herendon geheimhalten zu müssen, gefiel ihr nicht. Obadiahs wegen war er aus England gekommen. Sein Vertrauen und seine Freundschaft auf diese Weise zu mißbrauchen, das erschien ihr ehrlos, und obwohl sie sich ins Gedächtnis rief, was alles auf dem Spiel stand, konnte sie doch nicht vergessen, wie Kapitän Herendon mit ihr gefühlt und sie verstanden hatte - ein Trost, den sie jetzt nicht mehr erwarten konnte.
»Großmama hat recht, Mr. Macaffery«, sagte sie behutsam. »Kapitän Herendon wird vermutlich nicht einverstanden sein. Er sagte, er könne gerade eben meine Habseligkeiten unterbringen.«
»Er wird ausreichend Platz finden, oder er wird sich mir gegenüber verantworten müssen.« Macaffery preßte die Lippen zusammen und machte ein strenges Gesicht. »Erinnern Sie sich, was dem Mädchen von Snows vor zwei Jahren passierte. Sie ging mit diesem gemeinen Kaptitän aus Salem auf See und kam vor fünf Monaten zurück mit einem Kind von dem Schuft.«
»Und sie hatte das Recht dazu, wenn man bedenkt, daß sie ihn geheiratet hat«, unterbrach Großmutter ihn schroff. »Hören Sie auf zu klatschen, Colin. Désirée ist nicht Ananiah Snow, und ich habe keinen Grund zu der Annahme, daß sie sich genauso benehmen - oder eben nicht benehmen - wird. Ich sagte Ihnen bereits, daß dies nichts damit zu tun hat, warum ich Ihren Intrigen zugestimmt habe.«
»Ich wäre Ihnen dankbar, Madam, wenn Sie aufhören würden, von Intrigen zu sprechen, und ...«
Großmutter machte eine ungeduldige Handbewegung, die ihn verstummen ließ. »Lassen Sie mich ausreden! Sie können Désirée helfen, ihren Bruder zu
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