Große Liebe Desiree
Strümpfe, die für einen Augenblick sichtbar wurden, als sie auf den Boden sprang. Weder die Handschuhe noch der Hut waren für eine Seereise geeignet, aber Jack war so erleichtert und glücklich, sie zu sehen, daß er nicht daran dachte, sie darauf anzusprechen.
Er verbeugte sich förmlich und zog seinen Hut. »Guten Tag, Miss Sparhawk.«
»Oh, sagen Sie nichts, Kapitän Herendon, kein Wort!« rief sie. Sie eilte auf die andere Seite des Karrens und zerrte an den Gurten, die ihren Schrankkoffer hielten, ohne auf die Hilfe des alten Seemanns zu warten. »Ich weiß, wir sind spät dran, und Sie sind sicher sehr wütend, aber Black Simon -der Kater meiner Großmutter - ist weggelaufen, und ich konnte nicht gut fortgehen und meine Großmutter allein lassen, ehe er nicht eingefangen war.« Sie seufzte. »Ich hasse es, mich zu verspäten. Ich weiß, es ist bei Frauen üblich, aber ich weiß auch, daß es einen ganzen Tag kosten kann, wenn man die Flut verpaßt.«
»Wir haben sie noch nicht verpaßt.« Im allgemeinen haßte auch Jack alles, was ihn aufhielt. Aber er war bereit, ihr zu verzeihen, vielleicht weil sie so schuldbewußt wirkte. Abgesehen davon, würden sie in ein oder zwei Minuten absegeln können. Die letzten Besatzungsmitglieder waren bereits an Bord geeilt, als Désirée eingetroffen war, überall hörte man jetzt Befehle zum Ablegen, und der alte Seemann war gerade nach unten gegangen um ihren Koffer und einen Korb mit Vorräten zu verstauen.
Jack lächelte und bot ihr den Arm an. »Na, dann kommen Sie, Miss Sparhawk, und zum Teufel mit Ihrer alten Katze.«
Aber zu seiner Überraschung trat sie zurück und wurde sichtlich nervös. Sie schüttelte den Kopf und lehnte seine Hilfe bei der Überquerung des Stegs so energisch ab, daß es ihn verwirrte. Seit wann war es ein Verstoß gegen die guten Sitten, einer Dame den Arm anzubieten?
»Kapitän Herendon, Sir, ich wünsche Ihnen einen guten Tag.« Jack hatte den kleinen rundlichen Mann nicht bemerkt, der überraschend zwischen ihm und Désirée auftauchte und ihm die Hand entgegenstreckte mit der übertriebenen Freundlichkeit, die bei Amerikanern so üblich war. »Colin Macaffery, Sir, Ihr ergebener Diener.«
Kühl blickte Jack auf die angebotene Hand. »Ich hatte noch nicht das Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen, oder?«
»Nein, Sir, bis jetzt noch nicht, aber ich denke, in den nächsten Wochen werden wir uns kennenlernen.«
Ungerührt von diesem Empfang, zog Macaffery seine Hand zurück und musterte den hochgewachsenen Engländer. Jetzt wurde ihm klar, warum Désirée von diesem Mann verwirrt zu sein schien. Welche Frau wäre das nicht, bei einer solchen Gestalt und diesem Aussehen? »Ich werde mit Miss Sparhawk reisen in meiner Eigenschaft als Anwalt der Familie und auch als ältester Freund ihres verstorbenen Vaters.«
Jack warf einen raschen Blick zu Désirée. Sie nickte bestätigend - wenn auch nicht mit der Überzeugung, die Jack erwartete. Wenn sie den Mann nicht um sich haben wollte, wieso war er dann hier? Jack wollte ihn ebenfalls nicht, aber solange sie nichts sagte, konnte er ihr nicht ohne guten Grund einen Begleiter verwehren. Er fühlte, wie seine Mission scheiterte. Seine Erleichterung, daß Désirée sich bereit erklärt hatte mitzukommen, verflog. Anwälte witterten überall Pläne und Machenschaften. Wieviel von der Wahrheit würde dieser hier ahnen?
Macaffery winkte Désirée zu, und sie eilte an seine Seite. Sie hielt den Kopf gesenkt, um Jacks fragendem Blick nicht zu begegnen. Wodurch war sie auf einmal so vorsichtig geworden? Sie sollte an seinem Arm schreiten, anstatt vor diesem elenden Anwalt den Kopf zu senken. Düster folgte er ihnen an Bord.
Jack wollte nicht mehr an sie denken und blieb daher an der Reling stehen, als die Leinen losgemacht wurden und die Schaluppe Kurs auf die Bay und den dahinterliegenden Ozean nahm. Die Segel bebten, als der Wind sich in ihnen fing. Durch und durch ein Seemann konnte Jack sich üblicherweise in die Betrachtung eines fremden, ihm unbekannten Schiffes versenken, doch heute war er durch die junge schwarzhaarige Frau mit dem schwarzen Umhang, der in der Brise flatterte, zu sehr abgelenkt. Sie stand keine zwei Meter weit entfernt, und neben ihr klammerte Macaffery sich an die Reling, als ob er Angst hätte, über Bord zu gehen. Selbst bei diesem Wind, der kaum der Rede wert war, war er angespannt und kämpfte gegen das Gefühl, das die Bewegung der Schaluppe in ihm auslöste.
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