Große Liebe Desiree
meinen Brüdern lernte. Mit Musketen und Gewehren kann ich auch umgehen.«
»Ich werde daran denken.« Sie machte noch immer keine Anstalten, die Pistole an sich zu nehmen, deshalb legte er sie behutsam auf die Koje. »Die zweite Pistole behalte ich für mich. Ich rechne nicht unbedingt damit, daß wir sie brauchen werden, aber wir sollten vorsichtig sein.«
Sie nickte und sah auf die Waffe. »Ist das alles?«
»Ist das nicht genug?« fragte er zurück. Verborgen unter seinem Mantel trug er seit seiner Zeit als Kadett einen Dolch, aber er sah keinen Grund, ihr das zu erzählen. Oder dem heimlichen Lauscher.
»Ich meine, ist das der einzige Grund, warum du zurückgekommen bist? Um mir die Waffe zu geben?«
»Der einzige Grund?« wiederholte er und fragte sich, was sie erwartete. Immer noch sah sie auf die Pistole, die neben ihr lag. »Die Waffe war der Hauptgrund, ja, aber wenn ich dir sonst noch irgendwie helfen kann ...«
»O Jack.« Jetzt endlich sah sie ihn an, und auf den verlorenen Ausdruck in ihren Augen war er nicht vorbereitet. So sahen Ertrinkende aus, er hatte ihre Gesichter gesehenen denen Angst und Flehen sich vermischten mit einer eigenartigen Hingabe an das Schicksal. Désirée zog die Schultern hoch, unfähig, ihr Zittern zu verhindern. »Halt mich fest, Jack«, flüsterte sie. »Bitte, nur ein kleines Weilchen. Halt mich nur fest.«
Er setzte sich neben sie auf die Koje und zog sie an sich. Er war bereit, sie gegen die Dämonen zu verteidigen, die sie so zu fürchten schien. Lange, nachdem sie aufgehört hatte zu zittern, lange, nachdem der kurze Wintertag vergangen war und Dunkelheit die kleine Kajüte erfüllte, hielt er sie immer noch so. Er hielt sie einfach nur fest und wußte, daß es nie etwas zwischen ihnen geben würde. Keine beiläufige Affäre, um eine lange Reise kurzweiliger zu gestalten.
Niemals.
»Ich werde der Besatzung der Aurora mit dem Lotsenboot eine Nachricht zukommen lassen«, sagte Jack, »und ein Ruderboot wird uns holen, sobald wir um Pennant Point herum sind. Bald wirst du ein großartiges Essen bekommen, Désirée.«
»Tee ist das einzige, was ich jetzt möchte«, antwortete sie. In der eisigen Luft beschlug sich ihr Atem, während sie sprach. »Den heißesten, kräftigsten Tee, den dein phantasievoller französischer Koch zubereiten kann.«
Jack, der neben ihr an der Reling stand, lachte, aber Désirée meinte es ernst. Sie zweifelte daran, daß ihr jemals wieder warm sein würde. Hier, weiter im Norden, war die Februarluft kälter, als Désirée es jemals für möglich gehalten hatte. Sie trug einen gesteppten Flanellunterrock, drei Paar Wollsocken, Fäustlinge über ihren Fingerhandschuhen, und sie hatte einen Schal um die Kapuze ihres Umhangs gewickelt, aber trotzdem drang der Wind ihr bis auf die Knochen, und sie trat von einem Fuß auf den anderen, damit sie nicht auf der Stelle anfror.
Jack umschloß ihre Hand mit seiner, und Désirées Herz schlug schneller, wie stets, wenn er sie berührte. »Immer mit der Ruhe. Ich habe dich nicht bis hierhergebracht, um dich jetzt, da Halifax schon in Sichtweite liegt, zu verlieren.«
»Ach was, Halifax interessiert dich doch gar nicht«, neckte sie ihn. »Du bist außer dir vor Freude, weil du deine Fregatte Wiedersehen wirst. Ihr Kapitäne seid alle gleich, ob ihr nun Herren über ein sechs Meter langes Fischerboot seid oder über ein Linienschiff. Sobald du deine geliebten Masten und Segel entdeckst, könnte ich schreiend über Bord gehen, du würdest es nicht einmal bemerken.«
Er nickte feierlich.»Probier es lieber nicht aus, Désirée. Ich kann nicht versprechen, daß du nicht vielleicht doch recht hast.«
Désirée versetzte ihm spielerisch einen Stoß, dann lachte sie glücklich und drückte seine Hand. Trotz der Kälte, trotz Macafferys Drohungen und der Feindseligkeit der Mannschaft - mit Jack an ihrer Seite war sie glücklich. Er hatte sein Versprechen gehalten und sie beschützt, aber das war nur Beiwerk. Das wichtigste war ihr seine Freundschaft.
Zum Zeitvertreib hatte er sie in die Geheimnisse des Segelns eingeweiht, gründlicher und geduldiger, als ihre Brüder es jemals getan hätten. Und er hatte ihr Geschichten erzählt über die Orte, an denen sie vorbeikamen und, in aller Bescheidenheit, über verschiedene Schlachten, in denen er gekämpft hatte. Sie bemerkte, daß er nur wenig Persönliches von seiner Familie, seinem Zuhause und seinen Träumen berichtete. Und ihr fiel auch auf, daß er nicht
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