Große Liebe Desiree
arbeitete. Er bemerkte nicht den Matrosen, der Haltung einnahm - es war üblich, daß einer der Rotröcke zwischen den Türen des Kapitäns postiert war -, aber er sah, wie Désirée die Augen aufriß, als ihr Blick auf das präsentierte Gewehr fiel.
»Ich habe diesen Raum als Schlafgelegenheit für dich herrichten lassen«, erklärte er ihr. »Er hat einen Durchgang zu meiner Kapitänskajüte, aber natürlich kannst du die Verbindungstür abschließen, wenn du willst, genau wie die Außentür.«
»Natürlich«, wiederholte sie mit schwacher Stimme. Selbstverständlich war er jetzt beschäftigt und wollte nicht, daß sie ihn störte. Getrennt zu bleiben würde für sie beide das beste sein, und was war da klüger, als die Tür zwischen ihnen verschlossen zu halten?
Jack lächelte sie an und wünschte, sie würde zurücklächeln. Er wollte sie in seiner Nähe haben, aber er wollte ihr auch zeigen, daß er sie respektierte, daß er trotz der verbundenen Kabinen nicht mehr von ihr erwartete. Wie konnte er das besser tun, als indem er die Tür zwischen ihnen abschloß? »Ich weiß, daß hier ist nicht die Katy, aber ich dachte, hier wärest du am sichersten.«
Désirée nickte und überlegte, wie man es schaffte, bei so vielen Männern an Bord dem Kapitän so viel Raum zuzubilligen. Und ihr selbst jetzt auch. »Wo wird Mr. Macaffery sich aufhalten?«
Jack runzelte die Stirn. Er war sich noch immer nicht im klaren über die Beziehung zwischen Désirée und dem Anwalt. »Er wird sich bei den Offizieren in der Messe aufhalten. Ich denke, dort wird er genauso glücklich sein wie irgendwo sonst.«
Er stieß die Tür auf und führte Désirée in die Kajüte. Die Schotten waren mit Mahagoni vertäfelt, Landschaftsbilder hingen in vergoldeten Rahmen, und es gab einen Spiegel so rund wie ein Bullauge. Ein kleiner Chippendale-Teetisch stand neben einem Ledersessel, und wunderbarerweise waren Désirées zwei Koffer schon an ihrem Platz. Ihre Koje war eine sonderbare Mischung aus einem Bett und einer Hängematte, vielleicht konnte man es auch eine übergroße Wiege nennen, mit einer tiefen Kiste für die Matratze, die an einem Tau von den Deckenbalken herabhing und wie bei einem Bettgestell an Land mit spitzenbesetzten Leinentüchern verziert war.
Aber alles das bemerkte sie erst später. Jetzt richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf zwei riesige Kanonen, schwarzes Eisen auf rotgestrichenen Wagen, die vor den geschlossenen Luken auf dem Deck befestigt waren und ein Drittel des Platzes in der kleinen Kabine einnahmen. Kanonen in einem Schlafzimmer, Seite an Seite mit einem Teetisch. Der Gegensatz war so lächerlich, daß sie es beinahe komisch gefunden hätte, aber dazu störte es sie zu sehr.
Jack wartete mit einem unbehaglichen Gefühl hinter ihr und wünschte sich wieder, sie würde lächeln oder etwas sagen, irgend etwas. Seit er sie kannte, hatte er sich diesen Moment ausgemalt, wie er sie auf sein Schiff brachte, in sein Zuhause. Aber er hatte sie sich lachend und scherzend vorgestellt, hatte geglaubt, sie würde ihn loben für sein schnelles Schiff oder wenigstens für den Geschmack, den er bei der Auswahl der Gemälde bewiesen hatte. Statt dessen stand sie schweigend ein Stück weit von ihm entfernt, die Hände vor der Brust gefaltet, noch immer mit Hut und Umhang. Warum behandelte sie ihn auf einmal wie einen Fremden? Er wollte die tapfere, leidenschaftliche Frau mit der er gereist war, die sich in Schlägereien auf einer Werft einließ, die von einer Mondscheinnacht auf dem Meer zu Tränen gerührt war und ihn küßte mit den Spritzern der Gischt auf den Lippen. Er wollte seine Désirée so, wie er sich an sie erinnerte.
Aus dem Augenwinkel konnte er die Reihe der Männer im Gang sehen, die darauf warteten, mit ihm zu sprechen, sein Sekretär, ein Lieutenant, der Zahlmeister und andere mehr. Er war über einen Monat lang fort gewesen, und Gott allein wußte, welche Katastrophen sich inzwischen an Bord ereignet hatten, die er nun beseitigen mußte. Er mußte auch noch bei dem Oberbefehlshaber hier in Halifax vorsprechen, aus Höflichkeit, bevor er absegelte. Die Aurora gehörte nicht zur nordamerikanischen Schwadron, doch Jack wußte, daß er seine Befehle bis an die Grenzen ausgeweitet hatte, als er wegen Désirée quer über den Atlantik gefahren war. Es war klug, sich die Gunst des Befehlshabers zu bewahren für den Fall, daß er für seine Verteidigung vor der Admiralität eine weitere Unterstützung brauchte.
Er
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