Große Liebe Desiree
Madam, sehen Sie nicht elegant aus?« Mit einer Drehung seines Handgelenkes schwenkte Tomkins den Spiegel zu Désirée. »Wirklich wunderschön habe ich Sie frisiert, ganz à la antique, passend zu den Kameen!«
»Oh, Tomkins!« Désirée konnte ihr Spiegelbild nur anstaunen. Tomkins hatte ihr Haar locker aus der Stirn zurückgenommen und zu einer Krone zusammengefaßt, aus der ein kunstvolles Lockengebilde an ihrem Nacken hinunterhing. Eine Strähne ihres Haares hatte er mit einem roten Band durchzogen, um ihr Kleid zu betonen, und hatte sie wie ein Stirnband um ihren Kopf gelegt. Irgendwie wirkten ihre Augen größer, ihre Figur graziler, und Désirée konnte kaum glauben, daß dieses schöne Gesicht ihr eigenes war.
Von oben war der Schlag einer Glocke zu hören, und eilig räumte Tomkins sein Handwerkszeug weg. »So, Madam, meine Zeit ist um und meine Aufgabe erfüllt. Es war mir eine Ehre. Ich danke Ihnen, Madam, und wünsche Ihnen viel Vergnügen mit dem Kapitän.«
Augenblicklich war sie aufgestanden, um ihr Hin- und Herlaufen wieder aufzunehmen, und sie warf einen Blick auf die Tür zu Jacks Kajüte. »Aber was soll ich tun, Tomkins? Woher weiß ich, ob der Kapitän fertig ist? Oder soll ich warten, bis er mich rufen läßt?«
Tomkins sah sie streng an. »Aber Madam, der Kapitän ist der Kapitän, er ist jetzt bereit, so, wie er es gesagt hat. Aber Sie sind immer noch die Lady, und Sie gehen zu ihm, wann immer es Ihnen beliebt.« Er wedelte mit den Händen. »Ab mit Ihnen, ehe Mr. Harcourt auf meinen Kopf eine Belohnung aussetzt, weil ich wegen der Suppe auf mich warten ließ.«
Désirée stand einige Sekunden unentschlossen vor der holzverkleideten Tür.
Sie straffte die Schultern, atmete tief durch und dann noch einmal. Danach klopfte sie zaghaft, und die Tür flog auf, während sie noch mit erhobener Hand dastand.
Er stand vor ihr, wie sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Sie fragte sich, ob es wohl ein Traum sei.
»Guten Abend, Désirée«, sagte Jack leise. »Und darf ich sagen, daß du heute abend die schönste Frau bist, die ich jemals gesehen habe?«
9. KAPITEL
Désirée hörte das Kompliment kaum und übersah die offene Bewunderung in Jacks Augen. Er sah im Schein der Kerzen so gut aus, so perfekt, daß sie an nichts anderes denken konnte. Die Uniform, die er vorher getragen hatte, war etwas Gewöhnliches gewesen, verglichen mit dem, was er jetzt trug, und oh, wie gut es ihn kleidete! Weiße Strümpfe, ein feines weißes Leinenhemd und eine weiße Weste mit goldenen Knöpfen, goldene Schnallen auf den Schuhen und noch mehr goldene Knöpfe und Spitzen auf dem dunkelblauen Mantel, goldene Epauletten mit Fransen und, du meine Güte, sogar eine goldene Medaille an einem gestreiften Band um den Hals.
»Sieh dich an«, sagte sie schließlich und dachte an das, was Tomkins ihr erzählt hatte. »Du siehst genauso aus, wie Helden aussehen sollten.«
»Und du siehst aus wie die Heldin, nach der jeder Held sich sehnt.« Heute abend hätte Désirée jede der eleganten Schönheiten, die er in London kannte, in den Schatten gestellt. Ihr Kleid war einfach geschnitten, ohne Krausen und Besätze, die sie bei ihrer Größe und Anmut nicht brauchte. Während die neue Mode auf dem Kontinent blässere Töne verlangte, war Désirée der dramatische Typ, zu dem ein tiefes Rot paßte, ein Rot, das ihre helle Haut betonte. Die Seide schmiegte sich an ihren Körper, das Mieder mit der hohen Taille war über der Brust tief ausgeschnitten, und die kurzen Ärmel ließen ihre Arme fast völlig frei. Er meinte es ehrlich, wenn er sie die schönste Frau nannte, die er jemals gesehen hatte.
Aber abgesehen von ihrer Schönheit - die Anziehung, die sie auf ihn ausübte, ging tiefer. Die Art, wie sie lächelte, wie sie ihren Kopf beim Lachen zurückwarf, das völlige Fehlen von Sprödigkeit und Affektiertheit, alles das machte Désirée zu dem, was sie für ihn war: seine Désirée, seine Sehnsucht. Zwischen ihnen bestand eine Beziehung, die er nicht erklären konnte, eine besondere Art, sich des anderen jederzeit bewußt zu sein, die manchmal so intensiv war, daß es ihn ängstigte. In jener Nacht auf dem Deck der Katy hatte er sich ihr enger verbunden gefühlt als irgend jemandem sonst, seit Julia tot war, und auch das ängstigte ihn. In der Gewißheit, Désirée verlieren zu müssen, wollte er keine solchen Empfindungen zulassen. Aber für heute hatte er sich vorgenommen, nicht an Schmerz und Verlust zu denken. Der
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