Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte

Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte

Titel: Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
«Durchfahrt», und der
períplous
, die «Umfahrung». Beim
diékplous
durchstieß man die gegnerische Schlachtreihe und versuchte, von Achtern einen Rammstoß anzusetzen. Das wirksamste Gegenmittel gegen die «Durchfahrt» bildete eine zweite Reihe von Schiffen, die ein durchgebrochenes Schiff selbst attackieren konnten. Allerdings verkürzte eine Aufstellung in doppelter Reihe die eigene Front erheblich und setzte sie der Gefahr der «Umfahrung» aus. Dieses Manöver erforderte eine höhere Anzahl eigener Schiffe, um die Front des Gegners zu umfassen und ihm in die Flanke fallen zu können. In beiden Fällen musste nach erfolgreichem Rammstoß kräftig zurückgerudert werden, um sich von dem sinkenden Gegner zu lösen. Wenn man Seekämpfe in Küstennähe austragen wollte, konnte es deshalb von entscheidender Bedeutung sein, wie sich Küstenverläufe oder Untiefen in den eigenen Flankenschutz einbeziehen ließen.[ 12 ]
Angriff der Perser
    Trotz der verlorenen Schlacht bei Marathon 490 v. Chr. hielt der persische Großkönig Dareios I. an der Absicht fest, die griechischen Stadtkommunen an der Westgrenze seines Reiches doch noch zu unterwerfen. Sie sollten endlich «Erde und Wasser geben». Viele Griechenstädte leisteten diese Unterwerfungsgeste, das eigensinnige Sparta und das trotzige Athen jedoch nicht. Ja, in beiden Gemeinden wurden zudem die persischen Boten ermordet, ein weiterer Frevel, der nach Rache schrie. Von Anfang an war der Feldzug als eine kombinierte Heeres-Flotten-Operation geplant. Um eine Flotte möglichst ohne große Gefahren in das zu erwartende Hauptkampfgebiet zu bringen, wurde sogar ein schiffbarer Kanal gebaut. Der Kanal trennte die kleinere Halbinsel Athos von der Chalkidiki ab und hatte eine Länge von über zwei Kilometern und eine Breite von ungefähr dreißig Metern, so dass zwei Kriegsschiffe aneinander vorbeifahren konnten. Heute ist der Kanal verlandet, am Boden ist seine Lage kaum noch, auf Satellitenaufnahmen jedoch recht gut zu erkennen.
    Als Dareios I. während der Kriegsvorbereitungen 486 v. Chr. starb, trat einer seiner Söhne die Nachfolge an und legte sich den Namen Xšāyaršan – «der über Helden herrscht» – zu, den die Griechen zu Xerxes verballhornten. Er übernahm die Leitung des Unternehmens und vollendete die Vorbereitungen. Die an sich schon für diese Zeit enorme ingenieurtechnische Leistung des Kanalbaus könnte sogar noch übertroffen worden sein, wenn es stimmt, dass die Perser zwei Schiffsbrücken – eine für die Truppen, die andere für den Versorgungstross – über den Hellespont geschlagen haben, um das Heer von Asien nach Europa überzusetzen. Einige Details, die der Geschichtsschreiber Herodot (490/480–um 424 v. Chr.) berichtet, sind allerdings wenig glaubhaft. So ist etwa die von ihm angegebene Länge der Brücke von sieben Stadien oder ungefähr 1300 Metern eindeutig zu kurz. Bei Abydos beträgt die direkte Entfernung zwischen den Ufern des Hellespont ungefähr zwei Kilometer – keine geringe Distanz. Dazu dürften die Strömung vom Marmara- in das Mittelmeer sowie zu erwartende Windlasten auf die Pontonschiffe schwer lösbare Probleme geschaffen haben.
    Auf jeden Fall dürfte die Truppenstärke der Perser, die von Herodot und anderen antiken Autoren überliefert wird, reine Phantasterei sein: 4,2 Millionen Mann im Heer und Tross, dazu noch über eine Million Köpfe als Mannschaften der Flotte! Schon die Versorgung mit Nahrung und Wasser über einen kurzen Zeitraum dürfte diese Zahlen ausschließen. Der Militärhistoriker Hans Delbrück würzte seine Überlegungen zur Unmöglichkeit solcher Truppenmassen mit einem berühmten Bonmot: Wenn ein preußisches Armeekorps von 30.000 Mann ohne Fuhrpark nach deutscher Marschordnung etwa drei preußische Landmeilen benötigte, dann müsste die Marschkolonne der Perser so lang gewesen sein, dass, während noch die letzten Krieger aus Susa jenseits des Tigris ausmarschierten, die ersten bereits an den Thermopylen anlangten.[ 13 ] Der Gegner – und das ist ein häufig auftretendes Phänomen historischer Überlieferungen bis zum Beginn der Neuzeit – ist immer zahlenmäßig haushoch überlegen. Und erst recht die Anzahl der Hingestreckten muss in astronomische Höhen gehen; zumindest den Erinnerungen nach. Vielleicht haben aber nicht nur die Sucht nach Rechtfertigung und Prahlerei, sondern auch die Furcht oder der Mangel an Zahlenvorstellungen zu diesen maßlosen Übertreibungen geführt. Es ist

Weitere Kostenlose Bücher