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Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte

Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte

Titel: Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Geschichtsschreibung, war noch im Kleinkindalter, als die Schlacht geschlagen wurde. Er, der selbst aus dem kleinasiatischen Teil Griechenlands stammte, ist der Schöpfer jener großen Erzählung über diesen Krieg; natürlich mit einer eigenen Wirkungsabsicht und eigenem Kunstwillen, die eine Auswertung seiner Texte als Ereignisprotokolle verbieten. Er ist der Erfinder der Legenden vom großen, politisch so geschickten Themistokles und vaterlandsliebenden Aristeides. Aischylos hingegen, einer der Väter der Griechischen Tragödie, kämpfte bereits bei Marathon und dann als fünfundvierzigjähriger Hoplit auch bei Salamis – wir hörten es.
    Acht Jahre später verwob er seine Erfahrungen in der Tragödie
Die Perser
, ein Stück, das die Geschichte der Schlacht erzählt und vor allem jene Reaktionen thematisiert, die das Ergebnis am persischen Hof auslöste. Was beide einem athenischen Publikum vorführten, ist die Geschichte des Großkönigs, des unfähigen Sohnes eines übermächtigen Vaters, der als orientalischer Despot die Kraft und den Selbstbehauptungswillen der Athener unterschätzt und folgerichtig Heer und Flotte in die Katastrophe führt. Der Dichter Durs Grünbein meinte einmal zu den Versionen der Erzählung: «Die eine, als theatralische Fabel, etablierte die Sicht eines Dichters, mit dem die Tragödie als Kunstform beginnt. Die andere wird zum Paradebeispiel historischer Dokumentation, mit dem die Geschichtsschreibung anfängt. Beide zusammen geben sie eine erste Vorstellung von den Arbeitsweisen des westlichen Kulturgedächtnisses,das uns bis heute bestimmt.»[ 26 ] Dass es gerade die Ereignisse von Salamis sind, die kulturgeschichtlich diese Doppelgeburt auslösen, macht diese Schlacht nicht nur aus militärhistorischer Sicht zur «Mutter aller Seeschlachten».
    Weihegeschenk für den Sieg: Eines der wohl ältesten Objekte im heutigen Istanbul ist die sogenannte Schlangensäule. Ursprünglich wurde sie kurz nach dem Sieg über die Perser bei Salamis 480 v. Chr. als Weihegeschenk in Delphi aufgestellt und war insgesamt zehn Meter hoch. Herodot berichtet, dass sie vom zehnten Teil der Beute von Plataea gestiftet und von einem goldenen Dreifuß bekrönt worden sei. Pausanias sah zwar Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. in Delphi noch die Säule aus drei ineinander verwundenen Schlangen, aber der goldene Dreifuß war schon verschwunden. Kaiser Konstantin der Große ließ sie im 4. Jahrhundert in seiner neuen Hauptstadt Konstantinopel aufstellen. Erst im 18. Jahrhundert brachen die drei Schlangenköpfe ab.
    Das Besondere an Salamis ist, wie die Bürger Athens mit dem Ereignis zur eigenen Identitätsstiftung umgingen und wie die Schlacht zu einem Erinnerungsort der Gemeinschaft wurde. Die Einsenkung dieser aktuellen Ereignisse wies den Perserkriegen einen Platz zunächst im kommunikativenGedächtnis zu und verwandelte sie später zu einem Eintrag des kulturellen Gedächtnisses. Ohne Salamis hätte Aischylos also nicht die gerade erlebte Tagespolitik thematisieren können, sondern sich, wie gewohnt, mythischer Stoffe bedient, denn auch die hielt man für tatsächlich geschehene Geschichte. Und nur deshalb konnte Alexander der Große anderthalb Jahrhunderte später vor einer griechischen Öffentlichkeit seinen Feldzug nach Osten als späte Rache für die bei den Persereinfällen zerstörten Tempel Athens deklarieren.
    Auch die Herausbildung eines demokratischen politischen Systems hat auf den Planken in der Bucht von Salamis ihren Ursprung, denn es kam nun für geraume Zeit zu einer regelrechten Dialektik von Flotte und gesellschaftlichen Entwicklungen. Man kann diesen Prozess geradezu als einen Modernisierungsschub bezeichnen: Zugespitzt gesagt, war die attische Demokratie eine Folge der neuen Flotte. Eine unerwartete Wirkung hatte die Schlacht nämlich auf die Theten, die unterste Schicht der Bürger. Nicht adlige Reiter oder die Hoplitenphalanx der besitzenden Bürger hatten den Sieg über die Perser herbeigeführt, sondern sie, die «kleinen Leute». Nicht als «geborene» Landbesitzer, sondern kraft ihrer «erruderten» Leistungen für die Stadt gewannen sie nun politische Bedeutung und wurden voll der Polis zugehörig. Und mit der neu erworbenen Bürgeridentität übernahmen sie auch deren Krieger-Ideal. Plutarch notierte in seiner Themistokles-Biographie über die Auswirkungen der Schlacht: «Themistokles hat aber nicht, wie Aristophanes in einer seiner Komödien sagt, den Piraeus in die Stadt

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