Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
bis zu Handelsstützpunkten an der Küste der Iberischen Halbinsel reichte. Die Herrschaft über das östliche Mittelmeer hingegen gehörte zu der Zeit, als der große Krieg ausbrach, noch den Erben Alexanders des Großen. Rom, bislang hauptsächlich zu Lande aktiv, stieß, von Expansionsdrang und Machthunger getrieben, bei seinem Ausgreifen auf Süditalien nun mit den Interessen des punischen Seeimperiums zusammen.[ 2 ]
Der Geschichtsschreiber Diodor von Sizilien (1. Jh. v. Chr.) gab in einer sicher im Wortlaut erfundenen Anekdote, die am Rande von karthagisch-römischen Verhandlungen über ihre Interessengebiete formuliert worden sein soll, einen Eindruck vom Verhältnis der beiden Gegner: «So sagten die Punier, sie wunderten sich, wie die Römer es wagen könnten, angesichts der Beherrschung der Meere durch die Karthager nach Sizilien überzusetzen. Es sei doch allgemein klar, dass sie, wenn sie nicht Freundschaft hielten, es nicht einmal wagen dürften, sich die Hände im Meerwasser zu waschen.»[ 3 ] Die Schlacht von Mylae, die Rom unter der Führung des Konsuls Gaius Duilius schlug, markiert den Beginn einer ganzen Reihe von Seegefechten, bei denen es zunächst um die Vorherrschaft im westlichen Mittelmeer, doch letztlich um die Hegemonie im gesamten Mittelmeerraum ging.
Die Römer und das Meer
Der Erste Punische Krieg der Jahre 264 bis 241 v. Chr. bedeutet einen tiefen Einschnitt in der antiken Geschichte, weil er den Anfang vom Untergang Karthagos einläutete. Zwei weitere große Kriege zwischen Karthago und dem Römischen Reich sollten noch folgen und schließlich zur völligen Auslöschung Karthagos führen. Doch da Rom nicht unbedingt auf Sizilien ausgreifen musste, wie es spätere nationalistische Vorstellungen von einem vorzeitigen italienischen Staat propagierten, hätte es militärisch auch ganz anders ausgehen können. Selbst der berühmte Althistoriker Theodor Mommsen hielt Karthago verglichen mit Rom für «die überlegene Civilisation». Daraus ergibt sich die hochspekulative Frage: Wäre eigentlich die griechisch-römische Tradition, in der Europa Jahrhunderte stand und noch heute steht, bei einem Sieg Karthagos durch eine griechisch-karthagische zu ersetzen? Welchen Verlauf hätte die Weltgeschichte genommen ohne ein Imperium Romanum? Dieses Gedankenspiel ähnelt jenen Fallstudien, die Alexander Demandt in seiner «Ungeschehenen Geschichte» mehrfach durchgespielt hat.[ 4 ] Ohne das Römische Imperium in seiner späteren Ausdehnung würde die Hälfte Europas heute andere Sprachen sprechen, ein «Lateinamerika» gäbe es nicht. Unsere gesamtenRechtsvorstellungen wären ohne das Römische Recht völlig andere. Und hätte sich das Christentum in voneinander separierten karthagischen und griechischen Herrschaftsbereichen je so ausdehnen können, wie es im großen Imperium Romanum möglich war? Ohne die von Rom siegreich durchgefochtenen Punischen Kriege kein Caesar, kein Augustus und eben kein Befehl, dass alle Welt geschätzet werde.
Odysseus auf einem römischen Kriegsschiff: Bei den Versuchen, antike Kriegsschiffe zu rekonstruieren, ist man neben den Beschreibungen in Textquellen auf Darstellungen in Mosaiken, Reliefs oder Vasenmalereien angewiesen. Besonders ergiebig sind natürlich illustrierte Texte, die von Seefahrten handeln, wie etwa jene über die Argonauten oder die Odyssee. Dass bei den Darstellungen die jeweilige Schiffstechnik der Entstehungszeit von Mosaiken oder Malereien zur Geltung kommt und nicht der Zeit, die sie darstellen will, führt dazu, dass, wie in diesem Mosaik aus Dougga aus dem 3. Jahrhundert n. Chr., Odysseus am Mast eines leichten, einreihigen römischen Kriegsschiffes des 3. nachchristlichen Jahrhunderts den sagenhaften Sirenen lauscht.
Doch andererseits ist es kein Zufall, dass Rom in dem dreifachen Ringen am Ende siegte. Wer über so große Reserven verfügte wie die Römer, die sogar nach der Vernichtungsschlacht von Cannae 216 v. Chr. im Zweiten Punischen Krieg noch Kräfte mobilisieren konnten, war selbst für Karthago mit seinen beachtlichen Mitteln auf Dauer unbezwingbar. Eineverlorene Seeschlacht bei Mylae hätten die Römer also vielleicht verkraften können. Doch was die nach Mommsen «überlegene Civilisation der Phöniker» gebrochen habe, war, wie er ausführt, neben den großen Hilfsquellen auch der «römische Bürgermut».
Dass Rom, das sich bis zu diesem Zeitpunkt eher auf die territoriale Ausdehnung in Mittelitalien beschränkt hatte,
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