Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
gesehen war Salamis eher eine Wende als eine Entscheidung: Die Schlacht nahm dem Angreifer die Initiative.
Seekrieg und Demokratie
Auf mittlere und lange Sicht hatte die Schlacht noch tiefer gehende Auswirkungen. Zunächst habe Themistokles die Athener zu «Seemännern» gemacht, meinte Herodot. Doch aus dem Getümmel von Salamis erhob sich nicht nur eine neue Seemacht, sondern der Kriegslärm läutete auch die Geburt eines goldenen Zeitalters für Athen ein. Denn die Schlacht nahm für diese Polis einen völlig anderen Stellenwert ein als für die anderen Mitglieder des Hellenenbundes. Der Altertumswissenschaftler Ernst Curtius vermerkt in seiner
Griechischen Geschichte
treffend über die Auswirkungen der Perserkriege: «Das griechische Volk, welches bis dahin in cantonaler Zurückgezogenheit gelebt hatte, ist plötzlich in die Welthändel hereingezogen worden.» Und der Kanton, so könnte man mit Christian Meier weiterführen, der am weitesten in die Weltpolitik auf brach, war Athen.[ 23 ] Als man nach dem Sieg als eine Art maritimer Trutzgemeinschaft griechischer Gemeinden gegen Persien den Attisch-Delischen Seebundgründete, konnte sich Athen als dessen Oberhaupt etablieren – insofern legitimierte der Sieg die zunächst umstrittene offensive Flottenpolitik. Doch mit dem Schwinden der persischen Bedrohung begann der Bund schnell zum Instrument hegemonialer Interessen Athens über die Ägäis zu werden. Athen stieg zu einem
Seaborn Empire
auf, das die imperialen «Beherrschungskosten», wie Herfried Münkler sie nennt, elegant auf die Beherrschten abwälzte. Die Verlegung der Bundeskasse von Delos nach Athen im Jahr 454 v. Chr., die Abschaffung der Bundesversammlung als Beschlussorgan und Flottenschläge bis hin zur physischen Vernichtung ehemaliger Bundesgenossen bei Abfall von der Bündnistreue sind Belege für diesen Umformungsprozess vom Bündnis zu einer athenischen Thalassokratie.[ 24 ]
Athen wurde nach der Schlacht von Salamis zur Führungsmacht in der Ägäis, zum wichtigsten Umschlagplatz materieller und geistiger Güter in Griechenland und gab fortan militärisch, aber auch durch die Ausdehnung des Handels im östlichen Mittelmeer den Ton an. Die schönen Künste wie Dichtung oder Bildhauerei verbreiteten sich von Athen aus ebenso wie fortschrittliche Produktionsmethoden. Auf den Trümmern der Stadt entstand die Akropolis mit dem großen Athena-Tempel, dem Parthenon und weiteren prunkvollen Bauten, die geradezu zu Symbolen dieses Aufstiegs geworden sind.
Der militärischen Macht des Seeimperiums wurde die kulturelle Macht zur Seite gestellt. Thukydides meinte daher, dass Sparta nach dem Erscheinungsbild eher armselig wirke und Spätere voller Unglauben seine Macht bezweifeln werden. «Wenn es aber Athen ebenso ginge, so würde seine Macht nach den sichtbaren Erscheinungen der Stadt doppelt so hoch geschätzt werden, als sie ist.» Am Schlachtort Salamis errichteten die Athener ein Siegesdenkmal, das Pausanias, der in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n.Chr., also gut ein halbes Jahrtausend später, seine
Reisen in Griechenland –
eine Art «Baedeker des Altertums» – schrieb, noch gesehen hat. Von dem zehnten Teil der Plataea-Beute finanzierte man, wie Herodot berichtet, eine Zeusstatue für Olympia, eine Poseidonfigur und ein bronzenes Weihegeschenk für das Orakelheiligtum in Delphi. Ursprünglich stellte das Delphigeschenk drei ineinandergewundene Schlangen in Säulenform dar, deren Häupter ein goldener Dreifuß krönte. Pausanias berichtet auch davon, und dass zu seiner Zeit zwar die Säulenoch vorhanden, der goldene Dreifuß aber schon verschwunden war. Kaiser Konstantin der Große ließ im 4. Jahrhundert die Schlangensäule in Delphi demontieren und das Prunkstück in seiner neuen Hauptstadt Konstantinopel aufstellen. Erst im 18. Jahrhundert sind davon die drei Schlangenköpfe abgebrochen, von denen man heute einen im Archäologischen Museum in Istanbul sehen kann.[ 25 ]
Die Schlacht blieb in der Folgezeit für das Selbstverständnis und die Selbstdarstellung der athenischen Polis fundamental, ja, es kam zu einer völligen Vereinnahmung der Geschichte der Perserkriege durch Athen. Das Thema dieses Konflikts ist in zwei Genres behandelt worden, die beide zudem den Beginn von literarischen Traditionen bezeichnen: die Geschichtsdarstellung und die Tragödie. Auch sie hängen unmittelbar mit den Ereignissen von Salamis zusammen. Herodot, der Erzähler und Vater der
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