Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
nun auf Gebiete jenseits des Meeres ausgriff, bezeichnete allerdings den Beginn einer neuen Epoche überseeischen Engagements seiner Bürger. Es war der Anfang vom
mare mediterraneum
, dem mittelländischen Meer, das später innerhalb des Imperium Romanum tatsächlich ein Binnenmeer, ein
mare nostrum
, werden sollte. Vielleicht war es auch der Anfang vom Ende der Römischen Republik, denn die ausgreifende maritime Politik kollidierte in vielen sozialen und politischen Bereichen mit der bisherigen altrömischen Ordnung und setzte Wandlungsprozesse in Gang, die sich immer mehr beschleunigten.
Herfried Münkler weist in seinem Buch über Imperien dezidiert daraufhin, dass man «nicht die territoriale, sondern die maritime Expansion als die eigentliche Bedrohung der [Römischen] Republik betrachten» müsse. «Dann markiert der Entschluss des Senats, in der Auseinandersetzung mit Karthago von der bisher betriebenen kleinräumigen Herrschaftsausweitung abzugehen, den Anfang vom Ende der Römischen Republik. Erst infolge der neuen, weit ausgreifenden maritimen Politik nämlich kamen Persönlichkeiten zu Macht und Einfluss, für die sich der Rahmen der republikanischen Verfassung als zu eng erwies. Zudem verlängerte sich durch den überseeischen Einsatz der Legionen die Dienstzeit der Soldaten so sehr, dass sie ihre kleinen Bauernhöfe nicht mehr bewirtschaften konnten, woraus die revolutionäre Sprengkraft des Veteranenproblems erwuchs. […] Die Eroberung neuer Räume [mittels der Flotte] hat demnach neue Eliten hervorgebracht, deren Ehrgeiz nur durch die Eroberung weiterer Räume zu befriedigen war.»[ 5 ] Mylae bezeichnet also nicht nur den Auftakt eines sich über ein Jahrhundert hinziehenden Titanenkampfes, an dessen Ende ein Großreich vernichtet und eine Mittelmacht zum Imperium aufgestiegen sein wird, sondern dieses neue Reich wird zudem auch innerlich völlig verwandelt sein.
Wie die Römer allerdings überhaupt erst den Schritt zur Seefahrt gemacht haben sollen, lesen wir ebenfalls bei Polybios: «Da sie nämlich sahen,dass sich der Krieg in die Länge zog, gingen sie daran – es war das erste Mal –, Schiffe zu bauen, hundert Fünfruderer und zwanzig Dreiruderer. Da aber die Schiffsbaumeister im Bau von Fünfruderern völlig unerfahren waren, weil bis dahin noch niemand in Italien solche Fahrzeuge benutzt hatte, so hatten sie damit große Schwierigkeiten. Hieran kann man wohl am besten den hohen Sinn und den Wagemut erkennen, der den Römern eigen ist. Denn obwohl hinlängliche Voraussetzungen, ja überhaupt alle Voraussetzungen fehlten und sie ihre Gedanken bisher noch niemals aufs Meer gerichtet hatten, sondern ihnen dies damals zum ersten Mal in den Sinn kam, nahmen sie die Sache mit solcher Kühnheit in Angriff, dass sie, noch ehe sie sich darin versucht hatten, sogleich mit den Karthagern zur See zu kämpfen wagten, die von ihren Vorfahren her die unbestrittene Seeherrschaft besaßen. Zum Beweis für die Wahrheit des Gesagten und für das Außerordentliche ihres Wagemuts mag folgendes dienen: Als sie zum ersten Mal ihre Truppen nach Messene hinüber führen wollten, besaßen sie nicht nur keine Schiffe mit Verdeck, sondern überhaupt kein Kriegsschiff, ja auch nicht einmal ein einziges Boot, sondern sie mussten sich von den Tarentinern und Lokrern, den Eleaten und Neapolitanern Fünfzigruderer und Dreiruderer borgen, auf denen sie dann ihre Leute tollkühn übersetzten. Damals nun, während die Karthager in der Meeresenge gegen sie ausliefen, wagte sich ein mit Verdeck versehenes Schiff im Eifer des Angriffs zu weit vor, so dass es auf den Strand lief und den Römern in die Hände fiel. Dieses Schiff nahmen sie jetzt zum Modell und bauten danach ihre ganze Flotte. Ohne diesen Glücksfall hätten sie also wegen ihrer Unerfahrenheit an die Ausführung ihres Planes überhaupt nicht denken können.»[ 6 ]
Die geborgten Fünfzigruderer, die Polybios hier nennt, gehören zu einem Schiffstyp, bei dem die Gesamtzahl der an den Riemen dienenden Ruderer oder Rojer den Namen abgab. Auf ihnen saßen also fünfundzwanzig Ruderer pro Seite auf einer Ebene. Es war das klassische Schiff der Piraten und Kaperer. Die genannten Dreiruderer meinen hingegen ein Schiff, dessen Ruderer auf drei um einen halben bis einen Meter versetzten Ebenen angeordnet sind und die wir schon als Triere von Salamis kennen. Die antike Terminologie der Schiffe zu durchschauen, ist nicht ganz einfach. Was die Griechen «Triērēs», also
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