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Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte

Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte

Titel: Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Nachrichten aus «griechischen Wachstubengesprächen».[ 9 ]
    Der Historiker und Kriegstheoretiker Hans Delbrück präzisierte die ersten Zweifel Mommsens: «Es wird nützlich sein zu bemerken, dass die berühmte Erzählung, die Römer hätten schlechterdings nichts vom Seewesen verstanden, ihre Schiffe nach dem Muster einer gestrandeten karthagischen Pentere gebaut, ihre Ruderer auf Gerüsten auf dem Lande eingeübt, von Polybius stammt, der hier handgreiflich einer ungeheuerlichen rhetorischen Übertreibung zum Opfer gefallen ist.» In seinen Vorlesungen über die Weltgeschichte setzte Delbrück weitere zweifelnde Fragen hinzu, indem er in den Vorstellungen einen gewaltigen kollektiven Hometrainer imaginierte: «Sollten die Römer etwa massenhaft Eisenfedern konstruiert haben, um den Widerstand des Wassers zu ersetzen? Oder fuhren die Ruderer mit ihren Riemen in der Luft herum?» Und lieferte die Erklärung gleich im Anschluss: «Die griechischen Seestädte in der italischen Eidgenossenschaft» – damit sind die Städte der Magna Graecia, also Süditaliens, gemeint, die zu den römischen Bundesgenossen zählten – «stellten als
socii navales
kein Kontingent zum Landheer, aber Kapitäne, Steuerleute und Ruderer, soviel die Römer gebrauchten.»[ 10 ] Hier begegnen wir also schon einer ganzen Reihe von grundsätzlichen Zweifeln an dem Hergang der Dinge, wie ihn die antiken Historiker schildern.
Der «Rabe» des Polybios
    Was Mommsen und Delbrück allerdings nie in Frage stellten, ist, ob es denn jene von Polybios beschriebene römische Geheimwaffe, den Raben, überhaupt gegeben habe. Warum sind auch hier Zweifel berechtigt? Hören wir zunächst, was Polybios über die Konstruktion der Raben schreibt: «Da aber die Schiffe schlecht gebaut und schwerfällig waren, schlug ihnen jemand als eine Hilfe für die Schlacht Vorrichtungen, später Raben genannt, vor, die folgendermaßen konstruiert sind. Auf dem Vorderdeck stand ein runder Balken von vier Klafter Länge, drei Hand breit im Durchmesser. Dieser hatte seinerseits am oberen Ende eine Rolle, um ihn herum aber war eine Leiter gelegt, die querüber mit Brettern benagelt war, vier Fuß breit und sechs Klafter lang. Das Loch des Bretterwerks war länglich und ging um den Balken gleich nach den beiden ersten Klaftern der Leiter herum. Diese aber hatten an ihren beiden Längsseiten noch je eine Seitenwand, die bis zur Höhe der Knie reichte. Am Ende der Leiter war eine Art von Hacke, vorn zugespitzt, angebracht, die am oberen Ende einen Ring trug, so dass das Ganze einer Troghacke, wie sie die Bäcker gebrauchen, ähnlich sah.»[ 11 ]
    Auch über die Art der Benutzung des Raben berichtet Polybios: «An dem Ring war ein Seil befestigt, mit welchem man beim Rammstoß der Schiffe die Raben vermittels der am Balken befindlichen Rolle aufzog und auf das Verdeck des fremden Schiffes niederfallen ließ, bald auf das Vorderdeck, bald auch durch eine Drehung der Maschine gegen die von der Seite kommenden Rammstöße. Sobald nun die Raben in die Bretter der Verdecks einschlugen und die Schiffe aneinandergebunden hatten, sprangen sie, wenn sich die Schiffe mit den Breitseiten aneinanderlegten, von überall her auf das feindliche Schiff hinüber, wenn sie dagegen mit dem Bug aufeinandergestoßen waren, gingen sie auf dem Raben selbst in dicht aufgeschlossener Reihe zu zweien hinüber, und zwar schützten die ersten die Vorderseite durch Vorhalten ihrer Schilde, die Nachfolgenden sicherten die Seiten, indem sie den Rand ihrer Schilde auf die Seitenwand aufsetzten. Auf diese Weise gerüstet, warteten die Römer auf eine günstige Gelegenheit zur Schlacht.»[ 12 ] Da das historische Längenmaß Klafter etwa 1,80 Meter entspricht, hätte der Haltebalken eine Höhe von etwa 7,2 Meterngehabt, die Enterbrücke wäre sogar fast 11 Meter lang gewesen. Wie sehr ein solch hoher Aufbau für eine noch größere Instabilität des Schiffes sorgte, als sie die Mehrdecker ja ohnehin schon auszeichnete, kann man sich leicht vorstellen. Und wie kentergefährdet die Schiffe schon ohne den
corvus
waren, lässt sich daran erkennen, dass die Riemen zur Stabilisierung auf das Wasser gelegt werden mussten, bevor Enterhaken geworfen werden konnten. Zweifel an dieser Art Konstruktion sind also angebracht.
    Rekonstruktion des
corvus
, der legendären Enterbrücke auf römischen Schiffen:
Im Geschichtswerk des Polybios wird berichtet, dass die Römer im Ersten Punischen Krieg neben den Rammen auf ihren

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