Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
Europäer, sondern auch ein asiatischer Konkurrent, der im Gegensatz zu den Chinesen die aus Europa importierten Ideen und Fertigkeiten des technischen Fortschritts mit Eifer adaptierte: Japan.[ 3 ] Lange Zeit wurde der ferne Inselstaat von den Europäern kaum ernstgenommen, doch als es im Jahre 1894 zum Krieg zwischen Japan und China kam, zeigte sich erstmals, mit welchem Erfolg die Japaner sich die moderneMilitärtechnik angeeignet hatten: Binnen kurzem schlugen sie die Chinesen vernichtend und erlangten im April 1895 die Abtretung Koreas und der südlichen Mandschurei mit dem wichtigen Hafen Port Arthur.
Der Admiral des Zaren: Konter-Admiral Sinowi Petrowitsch Rojestwenski (1848–1909) fiel die ebenso herkulische wie undankbare Aufgabe zu, das eilig zusammengestellte und völlig unzulänglich ausgebildete «2. Pazifische Geschwader» aus der Ostesee ins Gelbe Meer zu führen. Dank Rojestwenskis Energie und Pflichtbewusstsein gelang das scheinbar Unmögliche – und führte schließlich in die Katastrophe von Tsushima, der nur drei russische Kriegsschiffe entkamen.
Diese territoriale Expansion der Japaner rief jedoch sogleich Russland, Chinas nördlichen Nachbarn, auf den Plan, das gemeinsam mit Frankreich und dem Deutschen Reich gegen die Annexionen protestierte. Daraufhin verzichteten die japanischen Politiker auf die hart erkämpften Eroberungen, zähneknirschend – und mit dem Entschluss, alles zu tun, um diese Demütigung so bald wie möglich zu rächen.[ 4 ]
In den folgenden Jahren wurden sie in diesem Entschluss durch die Politik der europäischen Großmächte nachhaltig bestärkt. Denn kaum hatten sich die Japaner aus Port Arthur zurückgezogen, erzwangen die Russen von der ohnmächtigen chinesischen Regierung die Genehmigung zum Bau einer Eisenbahnlinie von Sibirien durch die Mandschurei biszum Hafen von Port Arthur – einschließlich der «Pachtung» dieses Hafens und seines näheren Umlandes. Der britische Militärhistoriker John Richard Hale konstatierte 1911, die Berichte über den russisch-chinesischen Vertrag seien in Europa zunächst mit schierem Unglauben zur Kenntnis genommen worden: «Es hieß, es sei doch wohl unmöglich, dass Russland zynischerweise eine Position besetze, von der es eben noch geheißen habe, ihre Inbesitznahme sei unvereinbar mit der Unabhängigkeit Chinas.»[ 5 ] Doch verstanden die Europäer ihr Erstaunen rasch zu bemeistern und sicherten sich in den folgenden Jahren nach besten Kräften weitere Beutestücke aus der chinesischen Konkursmasse, das Deutsche Reich etwa schon 1898 den Hafen von Kiautschou. Die Russen bauten indessen das wertvolle, weil im Gegensatz zu ihrem bisher wichtigsten Pazifikstützpunkt Wladiwostok ganzjährig eisfreie Port Arthur zu einem festungsartig geschützten Kriegshafen aus.
Die Leitung dieser Ausbaumaßnahmen oblag seit Dezember 1899 Fürst Eugen Alexejew, einem unehelichen Sohn Zar Alexanders II. (1855–1881), als Statthalter Seiner Majestät Zar Nikolaus II., Vizeadmiral und Oberbefehlshaber der Streitkräfte im Fernen Osten. Klug und diplomatisch versiert, dabei herrschsüchtig, skrupellos und grenzenlos eitel, bemühte sich Alexejew in den folgenden Jahren, den Krieg gegen Japan, den er unvermeidlich kommen sah, nach Kräften vorzubereiten. Der Aufbau des auf dem Papier so eindrucksvollen Ostasien-Geschwaders war sein Verdienst – wie es seine Schuld war, dass dieser Eindruck nur auf dem Papier blieb. Denn als egozentrischer Autokrat interessierte sich Alexejew wohl für die Bereitstellung moderner Schlachtschiffe, in keiner Weise jedoch dafür, dass die Schlagkraft dieser Schiffe nicht allein von ihrer Panzerstärke und Geschützzahl, von Kalibergrößen und Geschwindigkeit abhing, sondern zunächst und vor allem von Ausbildungsstand und Moral der Offiziere und Mannschaften.
Der technische Fortschritt im Zeitalters der Industrialisierung hatte gerade in der Seekriegsführung besonders rapide Veränderungen bewirkt. Seit jeher hatten zum Kampf auf dem Wasser, anders als auf dem Festland, nicht nur physische Kraft und persönlicher Mut, sondern auch technische Fertigkeiten gehört, die allein erst die sachgemäße Benutzung des Kampfmittels «Schiff» gestatteten. Besonders zur See waren dann die Anforderungen an den technischen Sachverstand der Besatzungen imLaufe des 19. Jahrhunderts geradezu exponentiell gestiegen. Hatten bei Lissa im Jahre 1866 noch eigenwillige Kreuzungen zwischen Segel- und Dampfschiff versucht, sich durch
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