Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte
der Nelson mit den Abzeichen verschiedener Orden und den am Hals getragenen Marinemedaillen für seine Siege bei St. Vincent und Aboukir zeigt.
Eine Ironie der Geschichte dürfte sein, dass die britische Seeherrschaft letztendlich auch die gewaltige Territorialausdehnung der noch jungen USA, ihrer ehemaligen abtrünnigen Kolonien, überhaupt erst ermöglicht hat. Da Frankreich seine Kolonie Louisiana wegen der Überlegenheit der Royal Navy nicht entwickeln konnte, verkaufte es 1803 im «Louisiana-Purchase»dieses Territorium an die USA und ermöglichte deren Erweiterung um fast ein Drittel der heutigen Ausdehnung. Die Seestreitkräfte dieses nun so großen Landes sollten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur größten Marine der Welt werden.[ 18 ]
Und Nelsons Signal? Die seinerzeit gehisste Aufmunterung an die Flotte
«England expects …»
erlebte durch den Sieg eine enorme Verbreitung und wurde zumindest im anglo-amerikanischen Kulturkreis zu einem geflügelten Wort. John Braham komponierte 1811 das Lied «The Death of Nelson», in dem die Worte der Botschaft enthalten sind. Das Lied erlangte im 19. Jahrhundert große Popularität im ganzen Empire. Der berühmte Text prangt auch auf der Basis der Nelson-Säule und auf seiner Grabtumba in der St. Pauls Kathedrale. Generationen britischer Schulkinder lernten das Signal auswendig. Charles Dickens, Lewis Carroll oder James Joyce verarbeiteten es in ihren Werken. Und bis heute ist es omnipräsent: Ein TV-Drama, ein Fußballbuch, Krawattenaufdrucke, Tassenaufkleber verkünden es, und natürlich weht es jährlich am Tag von Trafalgar, am 21. Oktober, von Nelsons
Victory
in Portsmouth. Selbst fremde Flotten imitierten diese Botschaft. Schon Napoleon wollte eine Übersetzung:
«La France compte que chacun fera son devoir»
flatterte es von französischen Schiffen. Und vor Seegefechten benutzte es die US-Navy zu Beginn des 19. wie die japanische Marine zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Herman Melville, der Autor von
Moby Dick
, stand mit seiner Ansicht also nicht allein, wenn er behauptete, Nelson sei «der größte Seemann, seit die Welt begann».[ 19 ]
11. Tsushima 1905
DIE VERNICHTUNG DER ZARENFLOTTE
«Wen die Götter verderben wollen …»
Als im Februar 1904 der lange schwelende Konflikt zwischen Russland und Japan um die Vorherrschaft im Fernen Osten zum Krieg führte, rechnete kaum jemand damit, dass sich der ostasiatische Inselstaat gegen das Zarenreich behaupten würde. Doch zum Erstaunen der Kolonialmächte errang die japanische Flotte eine Serie von Erfolgen gegen die russischen Truppen im Hafen von Port Arthur. In St. Petersburg beschloss man daraufhin, ein zweites, schließlich sogar ein drittes Geschwader aus der Ostsee in den Pazifik zu entsenden. Unter schwierigsten Bedingungen gelang dem «2. Pazifischen Geschwader» die sechsmonatige Reise um die halbe Welt, ehe die unzulänglich ausgebildete und fahrlässig ausgerüstete russische Flotte am 27./28. Mai 1905 vor der Insel Tsushima von den in jeder Hinsicht überlegenen Japanern völlig vernichtet wurde. Wenig später endete der Krieg, der durch seinen katastrophalen Verlauf zu einem Wegbereiter der Russischen Revolution wurde.
Fehlende russische Kampfbereitschaft
an darf nicht hoffen, im Kriege etwas zu können, das man im Frieden nicht gelernt hat.»[ 1 ] Admiral Stepan Ossipowitsch Makarow machte sich keine Illusionen über die Kampftauglichkeit des Geschwaders, dessen Kommando er am 8. März 1904, dem Tag seiner Ankunft im russischen Pazifikhafen Port Arthur, übernommen hatte. Auf dem Papier handelte es sich um eine eindrucksvolle Streitmacht: 7 Schlachtschiffe, 4 Panzerkreuzer, 7 schwere und 8 leichte Kreuzer sowie eine Reihe von Zerstörern und Torpedobooten lagen im wichtigsten russischen Pazifikhafen vor Anker.[ 2 ] Doch was den reinen Zahlen nach eine Flotte darstellte, die jedem Gegner Respekt einflößen musste, litt unter einer Reihe von Handicaps, die den Kampfwert des russischen Pazifik-Geschwaders massiv minderten. Kurz gesagt, das Geschwader war im Frühjahr 1904 schlechterdings nicht einsatzbereit.
Die Vorgeschichte dieses Krieges steht in unauflösbarem Zusammenhang mit dem langen Niedergang des Chinesischen Reichs im 19. Jahrhundert. Die einstige Vormacht des Fernen Ostens sah sich zunehmend hilflos den Expansionsbestrebungen der europäischen Mächte, vor allem Englands, ausgeliefert. Das dabei zutage tretende Machtvakuum füllten jedoch nicht nur die
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