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Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte

Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte

Titel: Große Seeschlachten - Wendepunkte der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Rammstöße zum Sinken zu bringen, so bildeten um 1900 Schlachtschiffe das Rückgrat der Flotten, die trotz eines Gewichts von 12.000–14.000 Tonnen und gewaltiger Panzergürtel durch modernen Dampfantrieb bis zu 20 Knoten liefen. Sie konnten aus ihren Panzertürmen mit Geschützen eines Kalibers von über 30 Zentimetern hochexplosive Granaten auf Entfernungen von mehreren Kilometern verschießen; und zwar dank neuester technischer Erfindungen wie Feuermessständen und Fernsichtvisieren mit einer Präzision, von der noch ein Tegetthoff vierzig Jahre früher nicht zu träumen gewagt hätte.
    All diese staunenerregenden destruktiven Errungenschaften des technischen Fortschritts setzten freilich für ihren effizienten Einsatz langjährige, intensive Einübung durch die Schiffsbesatzungen voraus; diese wuchsen ja überhaupt erst zu einer leistungsfähigen, kampfbereiten Flotte zusammen, wenn sie auch Gelegenheit bekamen, nicht nur die Ausrüstung des eigenen Schiffs sachgemäß benutzen zu lernen und durch jahrelange Übung sicher zu beherrschen, sondern wenn die Großkampfschiffe darüber hinaus immer wieder das Manövrieren im Verband übten.
Das «Pazifische Geschwader» in Port Arthur
    An alledem jedoch mangelte es auf der scheinbar so furchteinflößenden russischen Pazifik-Flotte. Fürst Alexejew hatte sich um die Bereitstellung der Schiffe gekümmert – die Ausbildung der Mannschaften interessierte ihn nicht, oder nur insofern, als er unbedingten, kritiklosen Kadavergehorsam von seinen Untergebenen erwartete.[ 6 ] Dementsprechend waren Stimmung und Verhalten der Geschwader-Führung, als zu Beginn des Jahres 1904 der lange absehbare, von beiden Seiten geplante und vorbereitete Krieg zwischen Russland und Japan ausbrach. Am 6. Februar 1904 hatten die Japaner die diplomatischen Beziehungen mit dem Russischen Reich abgebrochen, am 9. Februar folgten die Kriegserklärungen. Doch schon in der Nacht zuvor war es japanischen Torpedobooten unter der risikofreudigen Führung ihres Oberkommandierenden, Admiral HeiachiroTogo, gelungen, drei der sorglos auf der Reede vor Port Arthur ankernden Großkampfschiffe, die Schlachtschiffe
Zessarewitsch
und
Retvissan
sowie den Kreuzer
Pallada
, so schwer zu beschädigen, dass sie auf Monate hin ausfielen.
    In den folgenden Wochen hätte die russische Flotte eigentlich der drohenden Invasion des Festlands durch japanische Bodentruppen mit aktivem Eingreifen und der Sicherung der Seeherrschaft in den Gewässern vor Port Arthur vorbeugen müssen, aber sie spielte eine höchst unrühmliche Rolle. Der Kapitän zur See Wladimir Semjonow (Ssemenow), dem wir eine auf Tagebuchnotizen gestützte, detaillierte Beschreibung von Vorgeschichte und Verlauf der Schlacht bei Tsushima verdanken, charakterisierte die Lage wie folgt: «‹Nichts riskieren›, das war die Formel, an die sie [die Kommandanten in Port Arthur] sich klammerten […]. Wie oft habe ich im Laufe des Krieges an diese Formel mit bitterer Ironie denken müssen. Später wurden wir doch gezwungen, etwas zu riskieren. Derweilen hatten wir aber eine ganze Reihe von Mißerfolgen gehabt, einen großen Teil unserer Streitkräfte nutzlos vergeudet und die erste Begeisterung unserer Leute verfliegen lassen. [Die Niederlage zu Land bei] Mukden und Tsushima sind die Folgen dieses Grundsatzes.»[ 7 ]
    Die «Begeisterung unserer Leute» hatte sich zwischenzeitlich eingestellt, als einen Monat nach Ausbruch der Feindseligkeiten Vize-Admiral Stepan Ossipowitsch Makarow als neuer Geschwader-Kommandant in Port Arthur eingetroffen war und sich unverzüglich daranmachte, das bisher Versäumte nachzuholen und den darniederliegenden Kampfgeist der Flotte aufzurichten. Seine Direktiven wirkten auf die von Alexejews diktatorischem Regime verunsicherten Offiziere geradezu elektrisierend: «Es ist zu spät, jetzt eine systematische Ausbildung zu beginnen»,[ 8 ] konstatierte Makarow illusionslos; jeder Einzelne müsse sich stattdessen darum bemühen, in seinem Bereich Mängel aufzuspüren und zu beseitigen. «Fürchten Sie sich nicht vor Fehlern und Mißerfolgen! Fehler macht jeder. […] Die Untätigkeit bleibt ohne jeden Erfolg, mag sie auch durch berechtigte Zweifel an der Zweckmäßigkeit einer Arbeit verursacht sein. […] Holen Sie alles, was Sie an Wissen, Erfahrung und Initiative besitzen, aus sich heraus, und tun Sie alles, was Sie können. Was wir nicht fertig bekommen, bleibt eben unfertig, aber alles, was geschehen kann, muß

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