Große Tiere: Roman (German Edition)
Kingsburys rechter Hand, und er droppte ihn mit lässiger Gebärde auf den Fairway. Diesmal hämmerte er ihn mit dem Sechser-Eisen mitten aufs Grün, fünf Meter von der Fahne entfernt.
Jake Harp blinzelte mürrisch und sagte nichts.
Ein Duell.
So betrachtete Charles Chelsea es. Das klassische Kräftemessen. Er warf den Textcomputer an und begann zu schreiben:
Der Ausbruch von Virushepatitis unter den Darstellern des Wunderlands der Abenteuer war nicht so ernst wie anfangs angenommen, ließ ein angesehener Seuchenspezialist verlauten, der den Vergnügungspark im Laufe des Freitags besichtigte.
Die Krankheit beschränke sich auf vier Personen, erklärte Dr. Neil Shulman, ein international renommierter Fachmann für Leberkrankheiten.
»Besucher des Wunderlands der Abenteuer befinden sich absolut nicht in Gefahr«, befand Dr. Shulman. »Es gibt keinen Hinweis darauf, daß die Krankheit dort ihren Ursprung hatte. Die Lebensmittel- und Getränkeproben, die ich untersucht habe, sind völlig erregerfrei – und wohlschmeckend dazu.«
Anfangs hieß es, daß fünf Personen infiziert worden seien. Später wurde jedoch festgestellt, daß einer der erkrankten Angestellten tatsächlich unter Gallensteinen litt, einer weitverbreiteten und nicht ansteckenden organischen Störung.
Die vier Männer, bei denen Hepatitis diagnostiziert wurde, zeigten die ersten Symptome am Mittwochmorgen. Entgegen früheren Berichten kamen die Erkrankten mit dem Virus nicht durch Süßigkeiten aus einem Automaten auf dem Gelände des Wunderlands in Berührung. Mittlerweile geht man davon aus, daß die Männer – allesamt Angehörige von Onkel Elys Kobolden – sich während einer kürzlich unternommenen Werbereise in die Karibik an Bord eines in Nassau registrierten Kreuzfahrtschiffs infizierten.
Moe Strickland, der alte Charakterschauspieler, der der Rolle des Onkel Ely zur Unsterblichkeit verholfen hat, erinnerte sich, daß einige Mitglieder seiner Truppe sich während der viertägigen Reise wegen »seltsam schmeckendem Hummerfleisch« beschwert hätten. Virushepatitis hat eine Inkubationszeit von 15 bis 45 Tagen.
Diejenigen, die infiziert wurden, verbrachten nur einen einzigen Tag im Krankenhaus und erholen sich derzeit zu Hause. Obgleich ihre Verfassung als gut zu bezeichnen ist, werden sie ihre Arbeit erst dann wiederaufnehmen, wenn die Ärzte mit Sicherheit ausschließen, daß sie die Krankheit weiterverbreiten könnten.
Dr. Shulman, der zahlreiche Aufsätze für nationale medizinische Fachzeitschriften verfaßt hat, sagte, er sei sicher, daß die Krankheit eingedämmt worden sei und keine weiteren Angestellten oder Besucher des Wunderlands der Abenteuer gefährdet seien. »Sicherer kann es nicht mehr sein«, sagte er. »Tatsächlich bleibe ich selbst auch übers Wochenende, damit ich mal mit dem neuen Delphin schwimmen kann!«
Während er den Text überflog, tauschte Charles Chelsea das Wort »Ausbruch« gegen »Vorkommen« aus. Dann, mit einer bei ihm völlig untypischen Entschlossenheit, betätigte er die Sendetaste des Faxgeräts.
Das Unbehagen, das sich stets einstellte, wenn schlechte Publicity drohte, hatte einem Gefühl wacher Kampfbereitschaft Platz gemacht; Chelsea kam sich vor, als habe er sich sein ganzes Berufsleben lang auf eine solche Auseinandersetzung vorbereitet. Er hatte es mit einem Gegner zu tun, der begabt, skrupellos und sehr wahrscheinlich wahnsinnig war.
So sehr Chelsea Winder fürchtete und ihm mißtraute, so sehr respektierte er seine Kreativität; das Vokabular, voller Adjektive; die Metaphern und rhetorischen Figuren – und, natürlich, das Tempo. Joe Winder war der schnellste Schreiber, den Chelsea je gesehen hatte.
Nun waren da nur noch sie beide: Winder, der sich weiß Gott wo verkrochen hatte und flammende Anklagen heraushämmerte, so schnell seine Finger fliegen konnten. Und am anderen Ende er, Chelsea selbst, der diese Granaten erwartete und sie entschärfte. Die Alternative – also: die Wahrheit zu sagen – war undenkbar. Zuzugeben, daß der Schwindler Amok lief und seine wahnwitzigen Ideen unter dem Briefkopf des Wunderlands der Abenteuer verbreitete... was für eine Story wäre das. In ihrer Aufregung würden die Medien sich sämtliche Beine ausreißen, um alles zu erfahren. Und schlimmer noch, jede weitere Presseerklärung des Vergnügungsparks würde überkritisch von Reportern und Redakteuren geprüft, für deren Karrieren es kaum förderlich war, wenn sie sich dazu verleiten
Weitere Kostenlose Bücher