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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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anderen Ende des Bootes setzte Oscar den Granatwerfer in stoischem Schweigen zusammen.
    Carrie schaltete die beiden Evinrudemotoren ab und ließ das Boot mit dem noch verbliebenen Schwung durch die grasigen Untiefen gleiten. Sie hielt das Fernglas an die Augen und versuchte das Vogelnest zu lokalisieren, das Molly erwähnt hatte. Sie konnte nichts erkennen. Die Bäume standen zu dicht beieinander.
    »Ich kann nicht behaupten, daß ich den Sinn dieser Geste verstehe«, sagte sie. »Nachtigallen sind nicht gerade eine gefährdete Tierart.«
    »Diese aber doch.« Winder zog sein T-Shirt aus und wickelte es sich wie ein Stirnband um den Kopf. Die Luft klebte auf seiner Brust wie ein heißes Handtuch; die Temperatur auf dem Wasser betrug an die vierzig Grad, und kein Lüftchen regte sich. »Du bist nicht einverstanden«, sagte er zu Carrie. »Das merke ich genau.«
    »Was mich stört, ist der Mangel an Phantasie, Joe. Am Ende verbringst du den Rest deines Lebens damit, Planierraupen in die Luft zu jagen.«
    Oscar gab am Bug das Okay-Zeichen. Das Boot war nahe genug an den Strand herangetrieben, so daß sie die Stimmen und das Klirren der Eßgeschirre des Falcon-Trace-Bautrupps hören konnten.
    »Welche Raupe willst du?« fragte Oscar, während er die Waffe an seiner Schulter in Anschlag brachte.
    »Such dir eine aus.«
    »Joe, warte mal!« Carrie reichte ihm das Fernglas. »Da drüben, sieh dir das mal an.«
    Winder strahlte über das ganze Gesicht, als er es erblickte. »Das sieht so aus, als wären sie bereits dabei, das Fundament für das neue Clubhaus zu gießen.«
    »Das ist ein großer Betonmischer«, sagte Carrie.
    »Und wie. Sogar ein sehr großer.« Joe Winder schnippte mit den Fingern und winkte Oscar. Als er das neue Ziel sah, grinste der junge Kolumbianer breit und visierte neu.
    Mit leiser Stimme raunte Carrie: »Sicherlich hat er so etwas schon mal getan.«
    »Ich glaube auch.«
    Oscar murmelte etwas auf spanisch, dann betätigte er den Abzug. Die Granate erwischte den Betonmischer sauber. Eine orangefarbene Feuerzunge leckte fünfzehn Meter hoch in den Himmel, und warme Betontropfen regneten auf die Bauarbeiter herab, während sie zu ihren Fahrzeugen spurteten.
    »Siehst du«, sagte Carrie. »Ein bißchen Abwechslung macht sich immer gut.«
    Joe Winder genoß das rauchige Flair des Chaos und fragte sich, was sein Vater dazu wohl gesagt hätte.
    We all shine on.
     
    In dieser Nacht verbannte Carrie ihn aus dem Schlafzimmer, während sie ihre Lieder für das Sommerfest übte. Zuerst lauschte er mit verträumter Verblüffung an der Tür; ihre Stimme war kristallklar, fein, lieblich. Nach einer Weile leisteten Bud Schwartz und Danny Pogue ihm auf dem Korridor Gesellschaft, und Carries Gesang schien die rauhen Züge ihrer Sträflingsgesichter zu glätten. Danny Pogue schaute zu Boden und begann mitzusummen; Bud Schwartz lag auf dem Holzfußboden, hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und blickte zur Balkendecke empor. Molly McNamara schloß sogar die Tür des angrenzenden Zimmers auf, so daß Agent Billy Hawkins, geknebelt, aber wach, ebenfalls das wunderschöne musikalische Intermezzo genießen konnte.
    Schließlich entschuldigte Joe Winder sich und ging nach unten, um zu telefonieren. Er versuchte sein Glück bei drei Telefonsirenen, ehe er mit Nina verbunden wurde.
    »Es freut mich, daß du es bist«, sagte sie. »Du mußt dir etwas anhören.«
    »Ich bin wirklich nicht in der Stimmung -«
    »Das ist etwas anderes, Joe. Ich habe drei Tage gebraucht, es zu schreiben.«
    Was sollte er darauf erwidern? »Dann schieß los, Nina.«
    »Bist du bereit?« Sie war aufgeregt. Er hörte das Rascheln von Papier. Dann holte sie Luft und begann vorzulesen:
     
    »Deine Hände finden mich in der Nacht, versinken in meiner
Wärme.
Heben mich, drehen mich, öffnen mich.
Die Sprache blinder Beharrlichkeit,
Du sprichst sie mit träger Zunge auf meinem Bauch;
Ein Lidschlag streichelt meine Brust.
Das ist der Augenblick der Schreie und des Flüsterns,
Wenn nichts Bedeutung hat im Vakuum der Leidenschaft
Als Leidenschaft selbst.«
    Er war sich nicht sicher, ob sie fertig war. Es klang wie ein großes Ende, doch er war sich nicht sicher.
    »Nina?«
    »Was hältst du davon?«
    »Es ist... sehr bildhaft.«
    »Lyrik. Ein völlig neues Konzept im Telefonsex.«
    »Interessant.« Mein Gott, sie macht darin Karriere.
    »Hat es dich erregt?«
    »Aber ganz bestimmt«, sagte er. »Meine Lenden bäumen sich in wildem Aufruhr und

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