Große Tiere
versuchte es noch einmal. »Ich gebe ja zu – eigentlich wollte ich nur wissen, wie es dir geht.«
»Wirklich, mir geht’s prima.«
»In der nächsten Woche ist hier wahrscheinlich mächtig was los. Ich wollte dir nur sagen, daß du dir keine Sorgen zu machen brauchst.«
»Ich gebe mir Mühe.« Ihre Stimme klang verwirrend ernsthaft. Winder wartete auf eine Frage, doch nichts kam.
Er platzte heraus: »Triffst du dich mit jemand?«
»Nicht ganz.«
»Wie?«
»Ich meine, es gibt da einen Mann.«
»A-ha!« Ein Stich in die Brust.
»Aber wir treffen uns nicht«, sagte Nina. »Er ruft an, und wir unterhalten uns.«
»Er meldet sich über den Anschluß 976? Heißt das, er ist ein Kunde?«
»Es ist nicht so wie bei den anderen. Wir unterhalten uns über wichtige Dinge, über Persönliches – ich kann es nicht beschreiben, du würdest es nicht verstehen.«
»Und du hast ihn noch nie richtig gesehen?«
»Nein, nicht persönlich. Aber man erfährt sehr viel aus dem, was jemand erzählt. Ich glaube, er ist etwas Besonderes.«
»Und wenn er einen Buckel hat? Oder Filzläuse?« Joe Winder konnte es kaum fassen. »Nina, begreifst du denn nicht, wie verrückt das ist? Du bist dabei, dich in die Stimme eines Unbekannten zu verlieben!«
»Er ist sehr sensibel, Joe. Das merke ich.«
»Um Gottes willen, der Mann ruft auf der heißen Leitung an. Was schließt du daraus?«
»Ich will jetzt nicht darüber reden«, sagte Nina. »Du hast mich gefragt, ob es jemand gibt, für den ich mich interessiere, und ich hab es dir gesagt. Ich hätte mir eigentlich denken können, daß du so reagierst.«
»Eins sag mir noch, bezahlt er für seine Anrufe?«
»Wir haben uns darauf geeinigt, uns die Kosten zu teilen.«
»Lieber Himmel.«
»Und am Dienstag treffen wir uns zum Essen bei Gables.«
»Wie schön«, sagte Joe Winder. »Und welche Farbe hat sein Trenchcoat?«
»Ich hasse dich«, erklärte Nina.
Sie legten beide im gleichen Moment auf.
Pedro Luz schlängelte sich unter Carries Wohnwagen. Auf der kühlen Erde liegend, lauschte er dem Plätschern der Dusche und lachte ausgelassen. Er legte beide Hände gegen eine hölzerne Bodenstrebe und drückte mit aller Kraft dagegen; er war sicher, spüren zu können, wie das Fahrzeug über ihm nachgab, und wenn auch nur um ein paar Millimeter. Mit dem Schnauben eines Bullen versuchte er es erneut. Bankdrücken mit einem Wohnwagen! Pedro Luz verzerrte ekstatisch das Gesicht.
Er war stolz darauf, den Wagen identifiziert zu haben, auch wenn diese Detektivarbeit nicht mehr erforderte als die Betätigung von drei lausigen Tasten auf dem Computer. Er war genauso stolz darauf, die Adresse im Dunkeln gefunden zu haben und für die Insassen des Wohnwagens unsichtbar geblieben zu sein. Im Morgengrauen hatte er beobachtet, wie die Frau zur Arbeit gefahren war, so daß er nun mit diesem verrückten, zum Tode verurteilten Schweinehund Joe Winder allein war.
Pedro Luz hatte einige Zeit damit verbracht, sich für diese Aufgabe aufzutanken. Er hatte den Tropfständer im Lagerraum der Sicherheitsabteilung im Wunderland der Abenteuer aufgebaut. Dort auf einem Feldbett liegend, hatte er sich größere Mengen von dem Pferdesaft in beide Arme rinnen lassen. Anschließend hatte Pedro Luz neun Dosen Heineken-Bier geleert und sich selbst nackt in einem Wandspiegel betrachtet.
Diese Spiegelkontrolle hatte sich zu einem regelmäßigen Ritual entwickelt, bei dem er sich vergewisserte, daß sein Penis und seine Hoden nicht schrumpften, wie Churrito ihn gewarnt hatte. Pedro Luz hatte sich Sorgen gemacht, als seine Uniform im Schritt plötzlich schlabbriger saß, daher nahm er jeden Tag ein Maßband zur Hand und überprüfte seine Geräte. Dann blätterte er in einigen Pornomagazinen, um sicherzugehen, daß er immer noch einen Ständer bekam; an einigen Tagen, wenn er besonders gewissenhaft war, maß er sogar den Winkel seiner Erektion.
An dem Abend, an dem er sich an Joe Winders Fersen heftete, betrug der Winkel genau null Grad. Pedro Luz machte dafür das Bier verantwortlich.
Im Wohnwagen beendete Winder eine weitere getürkte Presseerklärung, die folgendermaßen lautete:
Sprecher des Wunderlands der Abenteuer haben verlauten lassen, daß der Witwe des in dem bekannten Vergnügungspark ums Leben gekommenen jungen Wissenschaftlers eine Schadenersatzzahlung in Höhe von 2,8 Millionen Dollar angeboten wurde.
Die Zahlung soll in voller Höhe an Deborah Koocher, 31, in New York gehen. Ihr Ehemann, Dr.
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