Große und kleine Welt (German Edition)
dagegen geschickt ihren Ruf als die koketteste Dame zu behaupten, indem sie sich stets ebenso glaenzend von einem Ball zurueckzog, als sie dort erschienen war. Die Damen fluesterten einander mit einem gewissen Neide zu, dass sie ebenso oft ihren Schmuck wechsle, als sie einen neuen Ball besuche. Diesmal stand es aber der Frau von Vaudremont nicht frei, sich nach ihrem Belieben von dem Ball wieder zu entfernen, auf dem sie als Siegesgoettin erschienen war. Einen Augenblick blieb sie an der Schwelle der Tuer stehen, um beobachtende, aber fluechtige Blicke auf die ganze Damenwelt zu werfen, die Kostueme zu mustern und sich zu ueberzeugen, dass sie durch ihren Schmuck alle uebrigen verdunkeln wuerde. Die beruehmte und huebsche Kokette hatte sich dann der Bewunderung aller Anwesenden dargestellt, indem sie von einem der tapferen Obersten der grossen Armee gefuehrt wurde, der damals Liebling des Kaisers und ueberdies jung und schoen war. Er hiess Graf von Soulanges. Die zufaellige und voruebergehende Vereinigung dieser beiden Personen bot ohne Zweifel etwas Raetselhaftes dar; denn als der Diener an der Tuer Herrn von Soulanges und Graefin von Vaudremont anmeldete, erhoben sich einige Damen, die etwas zu weit abseits sassen, um neugierige Blicke auf die Eintretenden zu werfen. Auch einige Herren eilten aus den anstossenden Salons vorbei und draengten sich an die Tueren des Hauptsaales. Einer von jenen Witzbolden, an denen es bei so grossen Gesellschaften nie fehlt, bemerkte, als er die Graefin mit ihrem Kavalier eintreten sah, dass die Damen mit ebenso grosser Neugierde auf einen seiner Geliebten ergebenen Mann schauten, wie die Maenner ein schwer zu fesselndes huebsches Weib betrachteten.
Graf von Soulanges war ein junger Mann von etwa zweiunddreissig Jahren; er schien haltlos, war aber nervig. Seine hageren Formen und sein blasser Teint nahmen wenig zu seinen Gunsten ein. Obgleich seine schwarzen Augen eine sehr grosse Lebhaftigkeit besassen, war er doch schweigsam. Indes galt er fuer einen sehr verfuehrerischen Mann, und man gestand ihm grosse Beredsamkeit in Verbindung mit vielen Faehigkeiten zu.
Die Graefin von Vaudremont war eine ziemlich grosse Erscheinung von angenehmer Koerperfuelle, blendend weisser Haut, trug ihr kleines anmutiges Koepfchen sehr schoen und besass den gewaltigen Vorteil, durch die Anmut ihres Benehmens Liebe einfloessen zu koennen. Man empfand stets eine neue Freude, wenn man sie anblicken oder mit ihr sprechen konnte. Sie war eine von jenen Frauen, die alle Verheissungen erfuellen, welche ihre Schoenheit gewaehrt.
Dieses raetselhafte und glaenzende Paar, das fuer einige Augenblicke Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit geworden war, erlaubte der Neugierde nicht lange, sich mit ihm zu beschaeftigen, denn der Oberst und die Dame schienen vollkommen zu begreifen, dass der Zufall sie in eine schwierige Lage gebracht habe. Als der Baron Martial die Graefin und ihren Kavalier miteinander vorwaerts schreiten sah, mischte er sich in eine Gruppe von Maennern, die den Kamin umstanden, und beobachtete zwischen den Koepfen hindurch, die gleichsam einen Wall um ihn bildeten, Frau von Vaudremont mit der ganzen eifersuechtigen Aufmerksamkeit, die das erste Feuer der Leidenschaft erregt. Eine innere Stimme schien ihm zu sagen, dass der Erfolg, auf den er stolz gewesen sei, noch immer nicht als ein ganz gewisser betrachtet werden koenne. Allein das Laecheln kalter Hoeflichkeit, mit dem die Graefin Herrn von Soulanges dankte, und die Verneigung, mit der sie ihn verabschiedete, als sie sich zu Frau von Gondreville setzte, entspannte die Muskeln wieder, die die Eifersucht auf dem jugendlichen Antlitz des Requetenmeisters krampfhaft zusammengezogen hatte.
Als indes der eifersuechtige Provencale bemerkte, dass Herr von Soulanges zwei Schritte von dem Sofa stehen blieb, in dem Frau von Vaudremont Platz genommen hatte, ohne auf den Blick zu achten, durch den die junge Kokette ihrem getaeuschten Liebhaber zu sagen schien, dass sie beide eine laecherliche Rolle spielten, da zog er von neuem die schwarzen Brauen zusammen, die seine blauen Augen beschatteten, fuhr, um sich Haltung zu geben, mit den Fingern durch die Locken seiner braunen Haare und beobachtete das Benehmen der Graefin und des Herrn von Soulanges, ohne die Aufregung zu verraten, die sein Herz heftiger schlagen liess. Der Requetenmeister schien mit seinen Nachbarn zu plaudern, aber das Feuer einer heftigen Leidenschaft entflammte sein unruhiges Auge.
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