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Große und kleine Welt (German Edition)

Große und kleine Welt (German Edition)

Titel: Große und kleine Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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von einem inneren Leiden erholte, das fuer einen Augenblick den uebernatuerlichen Glanz ihres Antlitzes aufgehoben hatte.
    "Seit acht Tagen taeuscht ihn die Graefin," antwortete der Oberst. "Sie muessen aber den armen Soulanges gesehen haben, als er eintrat…. Er versucht noch, den Glauben an sein Unglueck von sich fernzuhalten…."
    "Ich habe ihn gesehen," sagte die Dame in einem vielsagenden Tone. Dann fuhr sie fort: "Mein Herr, ich danke Ihnen fuer Ihre Mitteilung!" Die Betonung dieser Worte galt einer Verabschiedung gleich.—In diesem Augenblick ging der Contretanz seinem Ende entgegen, und der aus dem Felde geschlagene Oberst hatte kaum noch Zeit, sich aus den Festungslinien der Damen zurueckzuziehen, indem er sich gewissermassen zum Trost sagte: "Sie ist verheiratet!…"
    "Nun, mutiger Kuerassier!" sagte der Baron, indem er den Obersten mit sich in eine Fensternische zog, um die reine Luft des Gartens einzuatmen. "Wie weit sind Sie gekommen?"
    "Sie ist verheiratet, mein Lieber."
    "Was schadet das?"
    "Ha, der Teufel, ich halte auf die guten Sitten!…" antwortete der Oberst. "Ich will mich nur noch an solche Damen wenden, die ich heiraten kann…. Ueberdies, Martial, hat sie mir deutlich erklaert, dass sie nicht tanzen wolle."
    "Oberst, verwetten Sie Ihren Apfelschimmel gegen hundert Napoleons, dass sie heute abend noch mit mir tanzt?"
    "Abgemacht …" sagte der Oberst und reichte dem Gecken die Hand. "Unterdes werde ich zu Soulanges gehen, der vielleicht diese Dame kennt…. Es schien mir, als waere sie hinsichtlich mancher Dinge unter richtet."
    "Mein Tapferer, Sie haben verloren!" sagte Martial lachend; "meine Augen sind eben mit den ihrigen zusammengetroffen und—ich verstehe mich darauf…. Aber, Oberst, Sie werden doch nicht boese werden, wenn sie mit mir tanzt, nachdem Sie einen Korb empfangen haben?"
    "Nein, nein; der lacht am besten, der am laengsten lacht!… Uebrigens,
Martial, bin ich ein guter Spieler und ein guter Feind, weshalb ich
Dich darauf aufmerksam mache, dass sie Diamanten liebt."
    Nach diesem Gespraech trennten sich die beiden Freunde abermals. Der Oberst begab sich zum Spielsalon und bemerkte den Grafen von Soulanges an einem Bouillottetische.
    Obgleich zwischen den beiden Obersten nur jene Freundschaft des aeusserlichen Umgangs bestand, wie sie durch die Gefahren des Krieges und die Pflichten eines gleichen Dienstes herbeigefuehrt wird, schmerzte es den Kuerassier-Oberst dennoch, den Grafen von Soulanges, den er als einen klugen jungen Mann kannte, bei einem Spiel zu finden, das ihn zugrunde richten konnte. Die Haufen von Gold und Banknoten, die auf dem unglueckseligen gruenen Tisch lagen, bezeugten die Wut des Spiels. Ein Kreis schweigender Maenner umstand die ernsten Spieler, die beim Bouillotte sassen. Einige Worte wurden hier und da laut, wenn man aber die unbeweglichen Spieler sah, so haette man glauben sollen, dass sie nur mit den Augen sich unterhielten. Als der Oberst, der durch die bleifarbene Blaesse des Herrn von Soulanges erschreckt wurde, sich diesem naeherte, war der Graf eben gewinnender Teil. Der oesterreichische Gesandte und ein beruehmter Bankier erhoben sich, nachdem sie bedeutende Summen verloren hatten. Der Graf von Soulanges wurde noch finsterer, als er es vorher gewesen war, waehrend er eine ungeheuere Menge Gold und Banknoten einstrich. Er zaehlte seinen Gewinn nicht einmal. Ein bitterer Spott zeigte sich auf seinen Lippen. Er schien das Glueck und das Leben zu bedrohen, anstatt ihnen zu danken, wie so viele andere getan haben wuerden.
    "Mut," sagte der Oberst zu ihm; "Mut, Soulanges!" Dann glaubte er ihm einen wahren Dienst zu leisten, indem er ihn vom Spiel wegfuehrte und sagte: "Kommen Sie, ich habe Ihnen eine angenehme Neuigkeit mitzuteilen, aber nur unter einer Bedingung."
    "Und die ist?" fragte Soulanges.
    "Dass Sie mir auf die Frage antworten, die ich an Sie richten werde."
    Der Graf von Soulanges erhob sich rasch. Er schob seinen ganzen Gewinn hoechst sorglos in sein Taschentuch, das er auf krampfhafte Weise zusammenzog. Sein Gesicht zeigte einen so verzweifelten Ausdruck, dass keiner seiner Mitspieler eine Aeusserung der Missbilligung ueber die abgebrochene Partie zu tun wagte, und die Zuege der uebrigen schienen sich sogar noch zu erheitern, als seine finsteren und unwilligen Blicke aus dem Kreis verschwanden, den eine Bouillote-Lampe um den Tisch beschrieb. Ein Diplomat, der bisher unter den Zuschauenden gestanden hatte, sagte indes, als er den Platz

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