Große und kleine Welt (German Edition)
geaergert, einen Nebenbuhler in seinem Freunde zu erkennen.
"Wie!" sagte der Requetenmeister, ohne die Bemerkung des Obersten zu hoeren und richtete sein Lorgnon auf alle Personen, die in seiner Naehe standen; "wie, ist denn niemand hier, der uns diese liebliche Blume nennen koennte, die erst jetzt ganz neu in diesen Garten verpflanzt ist?…"
"Nun, es ist vielleicht ein Gesellschaftsfraeulein…!" sagte der
Oberst.
"Herrlich! Ein Gesellschaftsfraeulein mit Saphiren, deren sich eine Koenigin nicht zu schaemen brauchte!… Das machen Sie andern weis, Sie werden wohl nicht staerker in der Diplomatie sein als ich, wenn Sie eine deutsche Prinzessin fuer ein Gesellschaftsfraeulein halten."
Der Oberst, der weniger gespraechig, dafuer aber neugieriger war, ergriff einen kleinen rundlichen Mann beim Arm, dessen graue Haare und geistreiche Augen man in jedem Augenblicke in einem anderen Teile des Salons erblickte. Dieses wundersam behende Maennchen mischte sich in alle Gruppen und wurde ueberall mit einer gewissen Achtung aufgenommen.
"Gondreville, mein lieber Freund," sagte der Soldat zu ihm, "wer ist das allerliebste kleine Weibchen dort hinter Deinem gewaltigen vergoldeten Kandelaber?"
"Der Kandelaber?… Er ist von Ravrio, mein Lieber, und Isabey hat die
Zeichnung dazu geliefert…."
"O, ich habe Deinen Geschmack schon anerkannt, und mich an dem prachtvollen Kandelaber erfreut; ich meine aber die Dame, die Dame…."
"Ach so, die kenne ich nicht!… Es ist ohne Zweifel eine Freundin meiner Frau."
"Oder Deine Geliebte, alter Spitzbube!…"
"Nein, auf Ehre nicht. Allein nur die Graefin von Gondreville kann Leute einladen, die niemand kennt."
Der kleine dicke Mann sprach diese Bemerkung mit einiger Bitterkeit aus und entfernte sich dann; aber auf seinen Lippen schwebte doch ein Laecheln innerer Zufriedenheit, die durch die Vermutung des Obersten hervorgerufen war. Dieser trat nun wieder zu dem Requetenmeister, der sich indes einer benachbarten Gruppe angeschlossen hatte, um Erkundigungen ueber die Unbekannte einzuziehen. Der Oberst nahm den Requetenmeister beim Arm und fluesterte ihm ins Ohr: "Mein lieber Martial, nimm Dich in acht. Frau von Vaudremont blickt Dich seit einigen Minuten mit einer verzweifelten Aufmerksamkeit an. Sie ist faehig, schon an der Bewegung Deiner Lippen zu erkennen, was Du mir sagst. Unsere Blicke sind ueberdies bereits zu bezeichnend gewesen. Sie hat dieselben bemerkt und ist ihrer Richtung gefolgt. Wenn ich nicht irre, so zerbricht sie sich in diesem Augenblick den Kopf mehr ueber unsere Dame, als wir selbst es tun."
"Das ist eine alte Kriegslist! Was kuemmert mich das uebrigens. Ich mache es wie der Kaiser: wenn ich Eroberungen mache, so behaupte ich dieselben auch." "Martial, Deine Eitelkeit verdient eine Lehre. Wie, Schurke, Du hast das Glueck, mit Frau von Vaudremont verlobt zu sein, mit einer Witwe von zweiundzwanzig Jahren, die jaehrlich zweitausend doppelte Napoleons zu verzehren und Dir Diamanten von dreitausend Taler Wert an die Finger gesteckt hat … und Du willst dennoch den Lovelac spielen, als waerst Du ein Oberst, der naechstens die Garnison vertauschen wird?… Pfui!… Bedenke doch wenigstens, was Du verlieren kannst!…"
"Dann werde ich wenigstens meine Freiheit nicht verlieren," versetzte Martial mit einem erzwungenen Laecheln. Er warf einen leidenschaftlichen Blick auf Frau von Vaudremont, die nur mit einem unruhigen Laecheln antwortete, denn sie hatte gesehen, wie der Oberst die Hand des Requetenmeisters ergriff, um den kostbaren Ring zu betrachten, den sie diesem geschenkt hatte.
"Hoere, Martial!" versetzte der Oberst. "Wenn Du noch laenger um meine junge Unbekannte herumflatterst, so unternehme ich die Eroberung der Frau von Vaudremont."
"Das ist Ihnen erlaubt, reizender Kuerassier, allein Sie werden den
Platz nicht einnehmen."
"Bedenke, dass ich Junggeselle bin," sagte der Oberst, "dass mein Degen mein einziges Vermoegen ist und Du mich durch eine solche Antwort durchaus herausfordern musst."
"Brrr." Diese scherzhafte Haeufung von Konsonanten war die einzige Antwort auf die Drohung des Obersten, den sein Freund vom Kopf bis zu den Fuessen mass, bevor er ihn verliess. Der Oberst war ein Mann von etwa fuenfunddreissig Jahren und trug nach der Mode jener Zeit kurze Beinkleider von weissem Kaschmir und seidene Struempfe, die die seltene Vollendung seiner Formen verrieten. Er hatte jenen hohen Wuchs, der die Kuerassiere der kaiserlichen Garde auszeichnete. Seine
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