Große und kleine Welt (German Edition)
einnahm, den der Oberst verlassen hatte: "Diese verteufelten Soldaten verstehen sich doch untereinander, wie die Weisskaeufer auf einem Jahrmarkt!" Ein einziges bleiches und verlebtes Gesicht wandte sich gegen den neuen Teilnehmer am Spiel, indem es ihm einen Blick zuwarf, der erglaenzte und erlosch, wie das Feuer eines Diamanten, den man spielen laesst. Dieses Gesicht war das des Fuersten von Benevent.
"Mein Lieber!" sagte der Oberst zu Soulanges, den er mit sich in eine Ecke gezogen hatte, "heute Morgen hat der Kaiser mit grossem Lobe von Ihnen gesprochen, und Ihre Befoerderung in der Garde ist nicht mehr zweifelhaft. Der Herrscher hat ausgesprochen, dass diejenigen, die waehrend des Feldzuges in Paris zurueckgeblieben waeren, nicht als in Ungnade gefallen angesehen werden duerften…. Nun…?"
Der Graf von Soulanges schien nichts von diesen Worten verstanden zu haben.
"Nun hoffe ich," versetzte der Oberst, "dass Sie mir sagen werden, ob Sie die kleine allerliebste Person kennen, die am Fusse des Kandelabers sitzt."
Bei diesen Worten leuchtete aus den Augen des Grafen ein ungewoehnliches Feuer. Er ergriff mit ausserordentlicher Heftigkeit die Hand des Obersten und sagte mit einer offenbar erregten Stimme zu ihm: "Mein tapferer Kamerad, wenn Sie es nicht waeren … wenn ein Anderer diese Frage an mich richtete … so wuerde ich ihm mit diesem Haufen Goldes den Schaedel zerschmettern…. Verlassen Sie mich, ich bitte Sie darum…. Ich moechte mir lieber heute Abend eine Kugel durch das Hirn jagen, als…. Ich hasse alles, was ich sehe … daher will ich auch sogleich fort; denn diese Freude, diese Musik, diese lachenden Schafgesichter sind mir grauenhaft."
"Mein armer Freund…" sagte der Oberst mit sanfter Stimme und drueckte freundschaftlich die Hand des Grafen, "Sie sind so aufgeregt… Was wuerden Sie sagen, wenn ich Ihnen mitteilte, dass Martial jetzt noch so wenig an Frau von Vaudremont denkt, dass er sich vielmehr in jene kleine Dame verliebt hat?"
"Wenn er mit ihr spricht," sagte Soulanges, indem er vor Wut seine
Worte stotternd vorbrachte, "so werde ich ihn zusammenklappen wie eine
Brieftasche, und verkroeche er sich unter dem Rock des Kaisers…."
Bei diesen Worten sank der Graf halb ohnmaechtig in den Armstuhl, zu dem ihn der Oberst gefuehrt hatte. Dieser zog sich langsam zurueck, nachdem er bemerkt hatte, dass Herr von Soulanges von einem zu heftigen Zorn ergriffen sei, als dass ihn die Scherze oder die Sorgfalt einer oberflaechlichen Freundschaft zu beruhigen vermoechten. Als sich der schoene Kuerassier in den grossen Tanzsaal begab, war Frau von Vaudremont die erste, auf die seine Blicke fielen. Er gewahrte in ihren gewoehnlich so ruhigen Zuegen einige Spuren einer schlecht verhehlten Aufregung. Der Oberst bemerkte einen leeren Stuhl neben ihr und eilte zu ihr hin.
"Ich moechte wetten, dass Sie sehr aufgeregt sind," sagte er.
"O, es ist eine Kleinigkeit, Oberst. Ich wollte mich eigentlich schon von hier entfernt haben, denn ich habe versprochen, auf dem Ball der Grossherzogin von Berg zu erscheinen, und vorher muss ich noch einen Besuch bei der Fuerstin von Wagram machen. Herr de la Roche-Hugon weiss es, aber er belustigt sich damit, noch immer mit den alten Witwen von frueheren Zeiten zu schwatzen."
"Das ist nicht die Ursache Ihrer Unruhe…. Ich wette hundert
Louisdors, dass Sie hier bleiben."
"Sie Unverschaemter!…"
"Also habe ich die Wahrheit gesagt."
"Boesewicht!" versetzte die schoene Graefin und schlug mit ihrem Faecher auf die Finger des Oberst.
"Nun, woran dachte ich denn?… Ich bin faehig, Sie zu belohnen, wenn
Sie die Wahrheit erraten."
"Ich kann die Wette nicht eingehen, denn ich habe zu viele Vorteile."
"Anmassender!…"
"Sie befuerchten, Martial zu den Fuessen einer Dame zu sehen…."
"Welcher Dame?" fragte die Graefin, indem sie sich ueberrascht stellte.
"Der Dame, die neben dem Kandelaber sitzt …" antwortete der Oberst und deutete nach der Ecke, in der die schoene Unbekannte sass, die keinen Blick von der Graefin wandte.
"Ja, Sie haben es erraten!" antwortete die Kokette und verbarg ihr Antlitz hinter ihrem Faecher, indem sie sich stellte, als spiele sie mit demselben. "Die alte Frau von Marigny, die, wie Sie wissen, boshaft ist wie ein alter Affe," fuhr sie fort, nachdem sie einen Augenblick geschwiegen hatte, "hat mir eben gesagt, dass Herr de la Roche-Hugon einige Gefahr laufen wuerde, wenn er der Unbekannten den Hof machen wollte, die sich, wie ein
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