Grosseinsatz Morgenröte
wissen wir aber nicht einmal, was drüben inzwischen geschehen ist. Hoffentlich war der Kommandant der ALPHA entschlossen genug, das Schiff im letzten Augenblick so hart aufzusetzen, daß das Heck mitsamt dem Triebwerk zertrümmert wurde. Wie lauten die näheren Daten, Chef?«
Mein Blick fiel auf General Reling, der endlich seine unbewegte Haltung aufgab.
»Die Raumstationen Terra I und II sind für den normalen Betrieb gesperrt. Sonderkommandos sind vor fünf Stunden abgeflogen. Die durch elektronische Großrechner ermittelte Absturzstelle wird mit den modernsten Hilfsmitteln optischer und elektronischer Raum-Ortung abgesucht. Das ist vorläufig die einzige Möglichkeit, um erstens den genauen Aufschlagspunkt und zweitens den Grad der Zerstörung des Schiffes zu ermitteln. Weitere Maßnahmen sind eingeleitet. Sie werden sich auf einen Großeinsatz vorbereiten müssen, Major. In vierzehn Tagen wissen wir entschieden mehr, darauf können Sie sich verlassen. Ich – ja, was gibt es?«
Der eingetretene Offizier des Werksicherheitsdienstes flüsterte dem Alten etwas zu.
»Oh –«, wunderte er sich, »so rasch? Er soll eintreten. Keine besondere Kontrolle. Beeilen Sie sich.«
Habcours Unruhe war nicht zu übersehen. Die Wissenschaftler wechselten fragende Blicke. Von da an sollten sie sich noch häufig wundern, nur wußten sie das noch nicht!
Das Columbia-Atomwerk war bereits in das weltweite Räderwerk der GWA eingeschaltet, das mit jeder verstreichenden Minute schneller lief. Was wußten diese in ihrer Arbeit aufgehenden Fachleute über die Einsatzvorbereitungen für einen GWA-Schatten? Ich hatte schon Fälle bearbeitet und erlebt, in die die gesamte Industrie eines Kontinents eingespannt war. Zehntausende von Wissenschaftlern, Technikern und Soldaten waren eingesetzt worden – und diese Männer und Frauen hatten nicht einmal gewußt, worum es eigentlich ging.
Oberst Habcour erschien der Ausnahmezustand, der über sein Werk verhängt war, außergewöhnlich, unglaublich und nahezu diktatorisch. Für unsere Begriffe war das eine selbstverständliche Maßnahme, die am Rande der sonstigen Vorbereitungen lief.
Ein unauffällig gekleideter Zivilist betrat den Saal. Außer einer Aktentasche hielt er nichts in den Händen, doch seine Rechte befand sich verdächtig nahe in Brusthöhe.
Unter der Kleidung zeichnete sich das Halfter mit der GWA-Spezialwaffe ab. Da er keine Dienstmaske trug, handelte es sich zweifellos um einen GWA-Mitarbeiter, der niemals in den direkten ZBV-Einsatz geschickt wurde.
»Miller«, stellte er sich vor.
Habcour murmelte etwas, das wir nicht verstehen konnten. Anscheinend waren für seine Begriffe zu viele »Miller« anwesend.
Der passive Kollege nickte mir zu und trat neben den Alten.
TS-19 stieß mich an. Trotz der Biosynth-Maske verriet mir sein Gesichtsausdruck alles über seine Gefühle.
Reling nahm die gehefteten Kunststoffbogen in Empfang und las sie aufmerksam durch. Als er sie schließlich auf den Tisch legte, erkannte ich eine Fotokopie jener amtlichen Formulare, die vom Auswärtigen Amt des Großasiatischen-Staatenbundes verwendet wurden.
»Die Antwort auf unsere Protestnote an Peking«, erklärte der Chef. »Diplomatisch abgefaßt, wie erwartet. Eine außergewöhnlich schnelle Antwort, die per Sprechschreiber übermittelt wurde. Unsere Note ging vor etwa sechs Stunden ab, nachdem wir endlich über den Absturz informiert worden waren.«
Habcour richtete sich erregt hinter seinem Schreibtisch auf. Mittlerweile hatten sich auch die verantwortlichen Männer des Atomwerks wieder eingefunden.
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