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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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höchste Zeit!
    »Dürfen wir jetzt weitergehen?«, fragte Großer-Tiger.
    »Kommt her«, rief die Stimme, »ihr scheint merkwürdige Vögel zu sein!«
    »Wir sind Kriegsgefangene«, sagte Christian.
    »Aber wir gehen ohne Bewachung, weil man uns vertraut«, sagte Großer-Tiger.
    Sie nahmen sich wieder an der Hand und gingen mit Herzklopfen dem Ausgang des Tunnels zu. Dort standen vier Soldaten, die
     Pelzmäntel anhatten. Auf dem Kopf trugen sie Mützen mit Fellohren, die nur das Gesicht frei ließen. »Wo kommt ihr her?«, fragte
     einer.
    »Guter-Gefährte und Gelber-Pfeil schicken uns.«
    »So so! Wo wollt ihr denn hin?«
    »Bringt uns zum großen General Wu. Wir müssen ihm eine Botschaft sagen.«
    »Ihr?«, riefen die Soldaten, und plötzlich begannen sie zu lachen. Sie konnten nicht aufhören damit, und wenn einer zu Ende
     war, fing der andere wieder an.
    »Euer werter Name?«, rief einer, aber er konnte vor Lachen kaum reden.
    »Dieser ist Kompass-Berg, und ich bin Großer-Tiger.«
    Die vier Soldaten klatschten vor Vergnügen in die Hände.
    »Ihr meint wohl«, rief ein anderer, »dass dieser Kohlen-Berg heißt und er selbst Schwarzer-Tiger?«
    »O ihr befehlenden jungen Fürsten«, rief ein dritter, »wo ist euer wertes Heimatland?«
    »Seid ihr jenseits der Weltmeere geboren, wo die Sonne die Menschen schwarz macht?«, fragte der vierte.
    Jetzt merkten Christian und Großer-Tiger, dass mit ihnen etwas nicht stimmte. Sie schauten sich an; und trotzdem es dunkelwar, sahen sie, dass sie schwarze Gesichter und schwarze Hände hatten und dass ihre Kleider voll Ruß waren.
    »Wir sind aber keine Neger«, sagte Christian.
    »Es geht weg, wenn wir uns waschen«, versicherte Großer-Tiger. »Gibt es irgendwo Wasser?« Er blickte sich um und bemerkte
     ein Bahnwärterhaus in einiger Entfernung. Zugleich erschrak er, denn plötzlich tauchte aus dem Dunkel eine Gestalt in einem
     weiten Mantel auf. Sie stand auf einmal zwischen ihnen und den Soldaten, und keiner hatte den Fremden vorher bemerkt. Er trug
     einen grauen Soldatenmantel mit schmalen Achselstücken, auf denen drei Sterne waren.
    »Warum lacht ihr so laut?«, fragte der Mann, »ihr seid doch auf Feldwache.«
    Die Soldaten griffen erschrocken nach ihren Gewehren und standen still.
    »Wir bitten um Eurer Exzellenz Vergebung«, sagten sie.
    »Ihr seid unklug«, sprach der Mann, »ihr lärmt und solltet ruhig sein. Ihr seid schlechte Soldaten!«
    »Wir bekennen es«, sagten die Soldaten zerknirscht.
    Jetzt wandte sich der Fremde an Großer-Tiger und Christian.
    »Ich habe gehört, was ihr wollt. Sagt mir eure Botschaft. Ich bin der General Wu-Pei-Fu.«
    Großer-Tiger und Christian verneigten sich dreimal sehr höflich und sehr tief, aber eine Begrüßung mit Worten wagten sie nicht.
     Sie blickten stumm vor sich nieder, weil sie daran dachten, dass sie schwarz wie Mohren waren. Außerdem hatten sie noch immer
     die Decken um die Schultern geschlagen, und das hinderte sie auch am Reden. Sie kamen sich komisch vor wie Heinzelmännchen.
    »Ihr sollt sprechen«, sagte der General.
    »Wir haben uns noch nicht gewaschen«, sagte Großer-Tiger.
    Der General Wu-Pei-Fu wurde heiter. »Im Kriege«, sagte er, »kommt es nicht immer darauf an, ob man sauber ist. Sagt jetzt,
     was ihr zu sagen habt!«
    »Ich heiße Kompass-Berg«, sagte Christian, »und dieser ist Großer-Tiger, und wir sind Kriegsgefangene.«
    »Wie alt seid ihr denn?«, fragte der General. Wenn es nicht sodunkel gewesen wäre, hätte man gesehen, dass er lächelte, denn seine Schnurrbartenden hoben sich ein bisschen.
    »Wir sind jeder dreizehn Jahre alt«, sagte Großer-Tiger. »Christian ist zwar nur zwölf, aber das kommt daher, weil seine Eltern
     das Geburtsjahr nicht mitrechnen wie meine. Gestern Abend ließen wir einen Drachen steigen, doch die Schnur riss ab, weil
     der Zug so schnell fuhr, und da waren wir auf einmal in Tsing-Lung-Chao, wo das Denkmal steht.«
    »Und dann hat es geschossen«, fuhr Christian fort, »und unsere Soldaten sprangen davon.«
    »Hatten sie denn so viel Angst?«, fragte der General.
    »Sie sagten, die Schlacht sei verloren, da sei keine Hilfe.«
    Wieder lachte der General Wu-Pei-Fu ein bisschen, und dann sagte er, die Soldaten des Generals Tschang-Tzo-Lin hätten wohl
     keine Lust mehr zu kämpfen.
    »Sie haben den Zug stehen lassen mit vielen Pferden, Wagen und Kanonen«, sagte Christian, »und das alles haben Guter-Gefährte
     und Gelber-Pfeil erobert, und uns dazu.

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