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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Strolche.«
    »Gut so!«, sagte der Soldat. »Wir beide müssen hier bleiben und den Zug bewachen, der sich nicht mehr bewegen will. Ihr zwei
     müsst ein Herz haben und durch den dunkeln Tunnel gehen bis dahin, wo er aufhört. Dort müsst ihr stehen bleiben und rufen:
     ›Sanfter Wind!‹ Sobald man euch antwortet: ›Bringt Gelingen!‹ könnt ihr weitergehen. Nur nicht vorher, sonst wird mit Kugeln
     geschossen!«
    »Wir hören«, sagte Großer-Tiger.
    »Und wir gehorchen«, sagte Christian.
    »Die Tunnelwache wird euch fragen: ›Woher kommt ihr?‹ Antwortet: ›Guter-Gefährte und Gelber-Pfeil schicken uns.‹ Dann werden
     sie fragen: ›Wo wollt ihr hin?‹ und ihr sollt sagen: ›Zum großen General Wu, dem müssen wir eine Botschaft sagen.‹ Lasst euch
     nicht weiter ausfragen, seid standhaft und schwatzt nicht. Guter-Gefährte und ich wollen das so. Nur dem General sollt ihr
     berichten, was ihr wisst und was ihr gesehen habt. Bittet ihn, dass er uns eine zweite Maschine schickt, damit wir nicht hundert
     Jahre und darüber im Tunnel stecken bleiben. Habt ihr alles verstanden?«
    »Wir haben verstanden«, sagte Christian.
    »Lebt wohl, alte und ältere Brüder«, sagte Großer-Tiger, »wir gehen jetzt.«
    Sie verneigten sich dreimal vor den Soldaten.
    »Ihr seid artige Menschen«, sagte Guter-Gefährte. »So was merkt man gleich«, sagte Gelber-Pfeil, »lebt wohl. Wir wünschen
     zahlreiche Glückssterne.«

Fünftes Kapitel, in dem wir die ehrenwerte Bekanntschaft des Generals Wu-Pei-Fu machen
    Solange die Laterne noch ein bisschen Licht machte, ging alles gut. Doch schon beim letzten Wagen stieß Großer-Tiger gegen
     ein vorstehendes Brett. Es tat sehr weh.
    »Wir werden oft auf die Steine fallen oder auf die eisernen Schienen«, sagte er und befühlte die schmerzende Stelle; »Ich
     weiß etwas«, sagte Christian, »gerade fällt es mir ein.«
    Er kletterte auf den Wagen und kroch lange im Dunkeln darauf herum, bis er das Bambusstöckchen fand, das der Hauptmann vergessen
     hatte mitzunehmen, weil er in so großer Eile gewesen war.
    »Jetzt schwindet alle Angst«, erklärte Christian. »Gib mir deine Hand.«
    Großer-Tiger wunderte sich, aber dann merkte er, wie Christianmit dem Stock in der andern Hand an der Schiene entlangtastete. So hatte er einen sicheren Wegweiser in der Finsternis. Da
     wurde Großer-Tiger wieder fröhlich.
    »Wir gehen zum General Wu-Pei-Fu«, sagte er, »hast du von ihm gehört?«
    »Ich kenne ihn nicht«, sagte Christian.
    »Wenige kennen ihn«, sagte Großer-Tiger, »aber alle lieben ihn. Er wird den General Tschang-Tzo-Lin schlagen, er wird den
     Bürgerkrieg beenden, und er wird schönen Frieden bringen.«
    Sie gingen ein langes Stück, und als sie sich endlich umblickten, konnten sie nicht einmal mehr den Schimmer der Laterne sehen.
     Da gingen sie noch ein Stück, und noch eines, aber die Finsternis blieb. Der Tunnel war sehr lang, und es war stockdunkel
     darin. Großer-Tiger sah Christian nicht, und Christian konnte von Großer-Tiger nichts sehen. Sie hielten sich bei der Hand,
     und manchmal stolperten sie einträchtig über den Schotter des Bahndamms, den sie auch nicht sahen. Dann hallte das Geräusch
     hundertfach verstärkt von den Wänden wider. Aber verzagen durften sie nicht. Sie hatten versprochen, ein Herz zu haben.
    Ganz gewiss waren sie schon eine Stunde unterwegs, als sie vor sich eine halbrunde Öffnung erblickten. Man sah einige Sterne
     und darunter eine Nachtlandschaft mit dem blinkenden Schienenstrang in der Mitte. Christian blieb stehen.
    »Weißt du noch das Wort?«, fragte er leise. »Heißt es frischer oder genügsamer Wind?«
    »Es heißt nicht so«, sagte Großer-Tiger. »Es heißt sanfter Wind. Wir haben das in der Schule gelernt. Der Wind und das Holz
     sind sanft. Also heißt es sanfter Wind.«
    »Bist du ganz sicher?«
    »Ich weiß es gewiss, Kwi-Schan.«
    Von nun an achteten sie darauf, kein Geräusch mehr zu machen: und weil sie beide Stoffschuhe mit Filzsohlen trugen, gelang
     es ihnen auch ganz gut. Trotzdem blieben sie hundert Meter vor dem Tunnelausgang stehen.
    »Ruf du«, sagte Christian, »sonst kommt was Verkehrtes heraus.«
    Großer-Tiger hob die Hände an den Mund; aber bevor er nur ein Wörtchen hätte sagen können, rief eine scharfe Stimme: »Wer
     da?«
    »Wir sind’s«, sagte Großer-Tiger verwirrt.
    »Sanfter Wind!«, rief Christian schnell hinterdrein.
    »Bringt Gelingen!«, antwortete die Stimme. Es war aber auch

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