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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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schwarzen Augen blickten unruhig von
     Christian zu Großer-Tiger; er schaute auf Glück und auf den General, und schließlich schien es, als sähe er nur so ins Leere.
     Er hatte einen schwarzen Bart, der ihm über die Mundwinkel hing und ihn unheimlich machte. Dabei trug er einen schönen Rock
     aus schwarzer Seide, und dann fragte er noch einmal: »Was macht ihr hier?«
    »Wir essen jeder ein Bonbon«, sagte Christian, weil ihm nichts Besseres einfiel.
    »Dummes Zeug«, brummte der Mann, und er spuckte in das Waschfass.
    »Das Fass ist jetzt nicht mehr sauber«, sagte Großer-Tiger.
    »Du bist frech«, erwiderte der Mann, und für einen Augenblick sah er zornig aus. Doch besann er sich, schob die Augenbrauenwieder auseinander und probierte noch einmal, wie ein freundlicher Mensch auszusehen.
    Er deutete mit dem Daumen verstohlen auf Wu-Pei-Fu: »Ist das der General?«
    »Vielleicht ist er es«, sagte Christian.
    »Wir sind erst seit gestern hier«, sagte Großer-Tiger.
    »Freilich, freilich«, brummte der Mann; »gibt es hier einen Lastwagen?«
    »Dort steht einer«, sagte Christian.
    »Jeder kann ihn sehen«, erklärte Großer-Tiger.
    »Freilich, freilich«, knurrte der Mann wieder, und dann ging er so leise fort, wie er gekommen war. Er drehte sich noch einmal
     um, und es schien Christian, als habe er mit Glück ein Augenzwinkern gewechselt. Aber es ging sehr rasch, und Christian hatte
     keine Zeit, darüber nachzudenken, weil Großer-Tiger ihm einen Stoß gab.
    »Der General kommt!«, sagte er leise.
    Christian verschluckte sein Bonbon, und dann stand der General schon vor ihnen in der Sonne.
    »Hallo!«, sagte er.
    »Selber Hallo«, erwiderte Christian; aber kaum hatte er es gesagt, wurde er rot und sehr verlegen.
    »Ich bitte um Vergebung   …, meine Rede stimmt nicht, das wünschte ich nicht zu sagen.«
    Wu-Pei-Fu lachte: »Gerade das wollte ich hören, sonst hätte ich nicht Hallo gesagt. Bei uns sagt man nicht Hallo.«
    »Bei uns auch nicht«, versicherte Christian, »nur manchmal, und meistens nur Jungen.« Der General lachte noch immer. »Und
     du«, fragte er Großer-Tiger, »kannst du auch Hallo sagen?« Großer-Tiger verneigte sich: »Der Knabe mit dem wertlosen Namen
     Großer-Tiger hat es von Kompass-Berg gelernt.«
    »Hallo ist ein hilfreiches Wort«, sprach Wu-Pei-Fu. »Wer schlechte Laune hat, sollte öfter Hallo sagen. Man wird fröhlich
     davon. Kommt jetzt mit mir. Ich muss mit euch zwei Worte reden.«
    Er ging unter dem Vordach entlang und öffnete die nächste Tür. Da war ein Zimmer mit weißen Wänden, aber ein Kang warnicht darin. Dafür stand in der Mitte ein großer Tisch, und auf dem Tisch lag eine Karte, die ihn ganz bedeckte. Rote und
     blaue Fähnchen aus Papier steckten in der Karte, und man sah leicht, dass die blauen Fähnchen Wus eigene Soldaten waren, und
     dass die roten Fähnchen den Feind vorstellten.
    Eine große rote Fahne wehte über Peking, und das war der General Tschang-Tzo-Lin, der dort sein Hauptquartier hatte. Die gleich
     große blaue Fahne Wu-Pei-Fus steckte in Hwai-Lai-Hsien. Neben dem Tisch waren einige Stühle, und sonst gab es nichts in dem
     Zimmer.
    Wu-Pei-Fu legte seine Mütze auf den Tisch, fuhr sich mit der Hand über den kahlgeschorenen Kopf, und dann nahm er die blaue
     Fahne von Hwai-Lai-Hsien weg und steckte sie woandershin. »Ich verlege mein Quartier«, sagte er.
    »Zur Prachts-Drachen-Brücke«, rief Christian, der den Namen gelesen hatte.
    »Ja«, sagte Wu-Pei-Fu, »aber das musst du vergessen. Kein Mensch braucht wissen, wo ich bin.«
    »Ich weiß es nicht mehr«, sagte Christian.
    »Gut so! Mir scheint, ihr seid beide flinke Burschen. Also passt auf! In zehn Minuten fahre ich durch den Tunnel, die Maschine
     wartet schon. Ich hätte euch vieles zu sagen, aber ich habe wenig Zeit. So müsst ihr selbst herausfinden, was ihr tun dürft
     und was ihr lassen sollt.«
    »Wir werden uns Mühe geben, den rechten Weg zu finden«, sagte Großer-Tiger. »Nehmt einen Bleistift«, sprach Wu-Pei-Fu in sanftem
     Befehlston. »Hier ist ein Stück Papier. Schreibt darauf, wo ihr wohnt. Sobald ich in Peking bin, werde ich euren Eltern sagen,
     dass ihr gesund seid, und wohin ich euch geschickt habe. Könnt ihr schreiben?«
    »Wir können schreiben«, sagte Großer-Tiger, und er malte das schöne Zeichen für Peking auf das weiße Papier und darunter den
     Namen der Straße.
    »Ich kann es nicht ganz so gut«, sagte Christian.
    »Das macht nichts«, sagte der

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