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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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»Zwei Augenblicke Geduld«, flüsterte er Mondschein ins Ohr, und dann bat er ihn,
     sich an seinen alten Platz zu setzen. Christian und Großer-Tiger zogen die Stiefel an, legten die Mäntel um die Schultern
     und setzten sich neben ihn.
    »Eure zwei Augenblicke sind lang«, knurrte Mondschein.
    »Sch!«, machte Christian, und »Sch!«, machte auch Großer-Tiger, sobald Mondschein reden wollte. So verging eine halbe Stunde.
    Großer-Tiger und Christian wussten ganz gut, warum es lange dauerte. Wahrscheinlich kroch Grünmantel im Schutt herum,suchte die Schatulle und war wütend, weil er sie nirgends fand und weil er sich nicht in die Höhle traute, wo es wilde Tiere
     gab, die bissen.
    Erst als sich die Ränder des Nachthimmels lichteten und die kleinen Sterne erloschen, und als es gerade noch so düster war,
     dass ein Reiter die Ebene überqueren konnte, ohne dass man mit Sicherheit zu sagen vermochte, wer es war, hörten Großer-Tiger
     und Christian das Getrappel eines Esels. Geschwind legten sie ihre Hände auf den Arm von Mondschein, der nach der Pistole
     langen wollte. Es war aber unnötig, denn Grünmantel ritt diesmal nicht unterhalb des Wassertors vorüber. Sobald er hinter
     der Festungsmauer zum Vorschein kam, hielt er geradewegs auf die Hügel im Westen zu und war bald verschwunden. »Da reitet
     die Bestie«, sagte Mondschein grimmig. »Auf, zu den Pferden!«
    »In der Eile sind Fehler«, gab Großer-Tiger zu bedenken und kratzte sich da, wo es weh tat.
    »Gibt es etwas, über das man reden müsste?«, erkundigte sich Mondschein ungeduldig.
    »Man müsste über den Großvater von Großer-Tiger reden«, sagte Christian.
    »Ist es der, der von dem rechten Platz gemurmelt hat?«, fragte Mondschein.
    »Eben der ist es«, bestätigte Christian.
    »Wir haben nämlich den rechten Platz gefunden«, sagte Großer-Tiger, »und da fiel mir was auf die Schulter, und es tat weh.«
    »Es ist aus Holz«, sagte Christian, »und wir haben es mitgebracht, weil man kein Ding geringachten soll.«
    Er legte die Schatulle mit dem Schiebedeckel Mondschein in den Schoß, und Mondschein ließ die Arme sinken, und seine Hände
     zitterten.
    »Vielleicht«, sagte Großer-Tiger, »sollte man nachsehen, ob was drin ist.«
    »Ich wage es nicht«, sagte Mondschein.
    »Wenn es gestattet ist«, sagte Christian und schob den Deckel aus dem Falz. Es knirschte, aber das machten die Sandkörner,
     die eingeklemmt waren, und sie fielen zwischen das viele Goldund zwischen die Perlenketten, die das Kästchen füllten. Obendrauf lag ein Stirnreif mit einem Kranz von kleinen Türkisen
     und einem großen in der Mitte. Daneben gab es zwei kleine Kästchen, wie Dämbit eines auf der Brust getragen hatte, aber sie
     waren aus Gold und mit Perlen verziert. Unten lagen Armspangen, Ringe und Ketten, und alle waren aus purem Gold. Christian
     und Großer-Tiger betrachteten den Schatz, und es ging ihnen wie Ma, der ein bewunderndes »Ah« nicht hatte unterdrücken können,
     obwohl es dunkel war, und jetzt schimmerte ein zages Frühlicht.
    Christian schaute auf Mondschein, was der dazu sage, aber Mondschein hatte Tränen in den Augen. Sie lösten sich und sie rannen
     über die zerfurchten Wangen, und dann tropften sie in das Kästchen auf das Gold und auf die Türkise.
    Mondschein schob den Deckel zu. »Vor zwanzig Jahren«, sagte er, »trug die junge Fürstin den Stirnreif, und sie war lieblich
     und sanft.« Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. Da wurden sie auf einmal hart, und Mondschein rief: »Auf, zu den Pferden!
     Es eilt!«
    Christian und Großer-Tiger zogen die Mäntel an, und Mondschein half ihnen beim Umbinden der Schärpen. Dann verließen sie das
     Wassertor. Sie liefen den Festungshügel hinunter in den Graben, sie machten große Schritte und sie gingen aufrecht. Im Osten
     wurde es hell. Dunkel stand der vierkantige Festungsklotz Möng-Schui, wo es einmal so viel Wasser gegeben hatte, dass man
     ein Wassertor und einen Ablaufgraben brauchte, vor dem Morgenhimmel.
    Mondschein trug das Kästchen unter dem Arm. Als sie das Steinbachtal aufwärtsgingen, kam ihnen der Uralte-Herr entgegen. Er
     war aber ganz allein. Mondschein warf sich aufs Knie, hob das Kästchen zur Stirn, und an den zuckenden Schultern sah man,
     dass er nicht sprechen konnte, weil er wieder weinen musste. Lange hielt er das Kästchen empor, bis es ihm Dampignak aus den
     Händen nahm. Die Augen des Uralten-Herrn wurden dunkel und trüb. Sie irrten von dem

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