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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Mlynowski
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einen Busch … ach herrje. Ich erinnere mich, dass er mich nach Hause gebracht … mir ein Glas Wasser gegeben … mich ins Bett gebracht hat. Ich erinnere mich, dass ich wieder aufgestanden bin, um mich erneut zu übergeben, in den Mülleimer.
    „Ich bin’s!“ brüllt eine helle Stimme. „Mach die Tür auf! Ich steh schon Jahre hier!“
    „Warte“, murmele ich und krabbele aus dem Bett. Immerhin habe ich es gestern noch geschafft, mein Kleid auszuziehen. Habe
ich
mir das Kleid ausgezogen? Aber warum habe ich schwarze Beine? Oh. Die Seidenstrümpfe. Die habe ich wohl vergessen.
    „Beeil dich!“ fordert die Stimme, immer noch recht schrill, eine Sirene in meinen Ohren. Ist das … „Iris?“ Ich reiße die Tür auf.
    „Das wird jetzt aber auch Zeit!“ Meine Schwester steht mit verschränkten Armen im Flur.
    „Was machst du hier?“
    „Was meinst du mit: ‚Was machst du hier?’ Kann ein Mädchen nicht seine Schwester besuchen? Warum bist du bloß immer so misstrauisch?“
    Eine Sekunde. Es ist Neujahr, der Tag nach der Gigaparty in Virginia, der Tag nach dem Tag, an dem sie sich ihren – wie hieß er noch? Ken? Karl? Kyle? – fischen wollte? Sie und ihr Ken, Karl, Kyle haben das ganze Haus für sich allein, und sie will ihre Schwester besuchen? Das kann ich mir nicht vorstellen.
    „Ich habe unten schon eine Stunde geklingelt“, sagt sie, „aber du hast nicht reagiert. Irgendwann hat mich jemand anderes reingelassen. Ich brauche etwas Geld für den Taxifahrer. Er wartet unten, und er ist nicht besonders glücklich.“
    „Du hast den ganzen Weg von Virginia nach Boston ohne Geld zurückgelegt?“
    „Ja, und könntest du dich bitte etwas beeilen? Ich habe versprochen, dass es nur fünf Minuten dauert!“
    „Okay, warte.“ Wo ist meine Tasche? Da ist sie. Hm. Warum ist sie so leicht? Ich öffne sie. Warum ist meine Geldbörse nicht drin? So eine Scheiße!
    Ich sehe mich in meinem Zimmer um. Nichts.
    Die Küche. Nichts.
    „Ob er einen Scheck nimmt?“ rufe ich aus dem Bad.
    „Das will ich hoffen.“
    „Wie viel?“
    „Dreißig. Und vergiss das Trinkgeld nicht.“
    Ich gehe zurück in mein Zimmer, fülle einen Scheck aus und komme wieder zur Tür. Iris rennt zum Fahrstuhl.
    Herzlich Willkommen, Iris.
    Wo ist meine Geldbörse? Ich muss meine Geldbörse finden.
    Ich durchwühle die Schubladen im Bad.
    Negativ.
    Meinen Schrank.
    Negativ.
    Zwischen den Laken.
    Negativ.
    „Kannst du mir nicht mal helfen?“ ruft Iris aus dem Flur. Sie schiebt eine grüne Reisetasche durch die Tür. „Er hat darauf bestanden, das Gepäck als Pfand zu behalten, solange ich nicht bezahlt habe. Lächerlich. Meine Diesel-Jeans sind das Dreifache seines Fahrpreises wert.“
    „Hat er den Scheck genommen?“
    „Widerwillig.“
    Ich helfe ihr, die Tasche ins Wohnzimmer zu schleppen. „Warum wiegt das Ding hier eine Tonne? Ist da alles drin, was du hast? Wie lange willst du bleiben?“ In meinem Kopf geht eine Warnlampe an. „Klär mich auf, Iris. Was willst du hier? Was willst du wirklich hier?“
    „Wonach sieht es denn aus?“ Sie zieht das Band aus dem Haar und macht sich einen neuen Pferdeschwanz. „Ich ziehe bei dir ein.“
    Wie bitte? „Du kannst hier nicht einfach einziehen. Ich habe eine Mitbewohnerin. Wie bist du hergekommen? Weiß Janie, dass du hier bist? Warum bist du hier?“
    „Allem voran: Du wirst bald keine Mitbewohnerin mehr haben. Sam zieht mit Marc zusammen.“
    Was? Was weiß sie denn von den beiden? „Was? Was weißt du denn von den beiden?“
    „Ich habe heute Morgen mit ihr gesprochen.“
    „Sam hat dich angerufen?“
    „Jetzt denk aber mal nach. Warum sollte Sam mich anrufen? Ich habe hier angerufen. Fünf Mal. Du hast nicht abgenommen.“ Mit der Hand führt sie ein imaginäres Glas zum Mund. „Unsere Mutter denkt, du bist Alkoholikerin, weißt du.“
    Schön zu wissen, dass Janie ihre Theorien im Familienkreis kundtut.
    „Ich habe das Telefon nicht gehört.“
    „Du warst wahrscheinlich bewusstlos. Du siehst aus wie Scheiße.“
    „Du sollst keine Schimpfwörter benutzen.“
    „Ich bin nicht mehr sechs! Und du bist nicht meine Mutter!“ schreit sie.
    „Schschsch.“ Dieses Gebrüll verträgt sich nicht gut mit meinen Kopfschmerzen. „Wie bist du auf den Gedanken gekommen, bei mir einzuziehen?“
    „Mom hat heute Morgen angerufen, um mir ein frohes Neues Jahr zu wünschen, und gesagt, wir würden nach Arizona ziehen. Einfach so. Als ob sie glaubt, dass ich mal eben mein ganzes

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