Großstadt-Dschungel
Popel in der Nase?“
„Wolkenlos“, antworte ich.
„Und die Straße?“ Das ist der Code für „Habe ich was zwischen den Zähnen?“ Sollte wirklich etwas zwischen ihren Zähnen sitzen, ist es mir entgangen, wobei ich sowieso sicher bin, dass sie nichts gegessen hat. Und ihr Lächeln strahlt so, wie es strahlt, wenn man sich die Zähne gebleicht hat.
„Bei mir auch sauber?“ Ich frage vorsorglich nach und erledige beides auf einmal: Ich lege den Kopf zurück und lächle.
Links von uns ist die Garderobe. Glücklicherweise hat mir das Septemberwetter erlaubt, ohne Mantel zu kommen. (Ich muss von Anfang an so viel zeigen wie möglich; Nat dagegen könnte sich einen Leinensack überwerfen, und die Jungs würden ihr immer noch hinterherhecheln.) Zu unserer Rechten ist die Tanzfläche. Ein paar spärlich gekleidete Frauen – großer Gott, sehe ich auch so aus? – taxieren die anwesenden Kerle zu hämmernder Musik, die ich nur schwer umschreiben kann: bumm, bumm, tschak, bumm, bumm, leg-dich-auf-mich-drauf-tschak. Nett.
„Komm schon.“ Geradeaus ist die Bar. Ich setze mich in Bewegung und drängle mich durch die Menge. Eine Barfrau mit etwas zu sehr zur Schau gestellten Brüsten fragt, was ich möchte.
Deinen Ausschnitt, denke ich, sage es aber nicht laut. Sie hielte mich vermutlich für pervers, wenn ich es aussprechen würde. Sicher, auch ich fülle Körbchengröße B locker aus, und Jeremy schien immer voll zufrieden gewesen zu sein („Mehr als eine Hand voll …“, hatte er gesagt), und die Barfrau hat vermutlich auch nicht viel mehr als ich, aber, warum die Augen davor verschließen? Ich bräuchte einen ordentlichen Wonderbra, um
so
auszusehen. Und das ist der Punkt: Was passiert, wenn man einen Typ mit nach Hause nimmt, und der BH kommt zum Vorschein. Wie erklärt man das genau?
Ich bestelle zwei Lemon Drops und versuche meinen Blick auf Gesichtshöhe der Barfrau zu halten. Ich liebe dieses Getränk: Erst leckt man den Zucker von einem Zitronenstück, dann kippt man den Wodka hinterher, und schließlich lutscht man den Schnitz aus. Das macht Laune! Es ist, als ob man sich ein Ticket für ein Bingo-Spiel kauft; es dient nicht nur seinem Zweck, man wird auch noch aktiv dabei. „Fertig?“ frage ich.
„Cheers!“ sagt Natalie.
O ja! Ich werde mich betrinken! Ich werde Spaß haben! Ich hab schon Spaß. Ich habe so viel Spaß, dass ich darüber diesen Idioten praktisch längst vergessen habe.
Natalie greift in ihre Tasche und holt ihr Notizbuch heraus. Ich wundere mich, dass sie für das Zitronenstück nicht nach Süßstoff gefragt hat. „Guck mal, da drüben ist Andrew Mackenzie!“ bemerkt sie, zeigt mit dem Finger durch den Raum und winkt.
Hilfe! Wer bitte erklärt mir, wie ich Jeremy vergessen soll, wenn seine Kumpel von der Uni allerorten sind? Insbesondere derjenige, der uns mehr oder weniger verkuppelt hat.
Andrew winkt zurück und erkämpft sich seinen Weg zu uns.
„Ich hatte gehofft, dich hier zu treffen, Herzblatt“, sagt Natalie. „Ich habe gehört, dass du in der Stadt bist. Wir haben gerade über dich gesprochen.“
Haben wir?
„Was habt ihr denn geredet?“ fragt er und küsst sie leicht auf die Wange.
Ja, was?
„Wie unwiderstehlich du bist“, kokettiert Nat und legt ihm die Arme um den Nacken.
Natalie ist eine unglaubliche Flirterin. Es kann schon sein, dass sie nicht weiß, wo Norden ist, aber ihren Weg durch die männliche Spezies findet sie allemal. Auch wenn sie vielleicht nicht die Originellste ist. Wer sagt schon so was wie „wie unwiderstehlich du bist“? Trotzdem springen diese Typen normalerweise immer auf das an, was die gute alte Natalie zu bieten hat. Allerdings bin ich mir nicht sicher, was ihr plötzliches Interesse an Andrew zu bedeuten hat, denn ich habe mindestens hunderttausendmal versucht, die beiden zu verkuppeln, damit Jer und ich ein Paar hätten, mit dem wir ausgehen konnten. Ich korrigiere: damit wir ein Paar
gehabt hätten
. Aber egal, Andrew wäre sofort dabei gewesen, was keine wirklich große Überraschung ist – welcher Mann war nicht an Nat interessiert? Aber sie behauptete, er sei nicht ihr Typ. Zu nett, fand sie.
„Jackie!“ Andrew befreit sich aus Natalies Umarmung. „Ich wusste gar nicht, dass du in Boston bist.“
O Gott, o Gott. Das heißt, dass er mit seinen Freunden nicht über mich spricht. Anscheinend bin ich in seinem Leben so bedeutungslos, dass ich es noch nicht einmal wert bin, erwähnt zu werden. Arschloch.
Oder
Weitere Kostenlose Bücher