Grote, P
»Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Aber Sie sind zu empfindlich. Sie wissen sicher genau, was Sie tun, davon bin ich überzeugt. Ich wollte Sie unterstützen, aber dass Sie mir das übel nehmen und in Verbindung mit der
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bringen, nein, das gefällt mir nicht, das habe ich nicht verdient.« Der Amerikaner senkte den Kopf und säbelte verbissen an seinem Rumpsteak. »Wenn ich Ihnen eine Last bin, dann setze ich die Reise allein fort.«
Martin war fast versucht zu sagen: »Bitte, tun Sie es . . .«Leider musste er es sich verkneifen – nicht nur aus Höflichkeit. Er wäre gänzlich auf sich gestellt, und wer wusste, ob Marc ihm nicht doch noch nützlich sein konnte. Ein wenig Rückhalt fand er bei ihm, zumindest war jemand da, und als neutraler Weinkenner war der Amerikaner durchaus nützlich. Morgen war Martin in Jidvei angemeldet, es war ein weiter Weg bis dahin, und es war sicherer, Simion in seinem Rücken zu wissen.
Mobiltelefone, die nicht vorsichtshalber ausgeschaltet waren, meldeten sich immer im ungünstigsten Moment. Lucien war am Apparat. Martin sah sich gezwungen, die Veranda zu verlassen, damit Simion nicht mithören konnte, der Mann war ihm zu neugierig.
»Gut, dass Sie anrufen, ich habe Neuigkeiten.« Martin wollte Lucien von der im Radiowecker entdeckten Webcam erzählen und wie Ana Cristina auf den Rausschmiss reagiert hatte, aber Lucien fuhr ihm über den Mund.
»Wissen Sie noch, was Josef Ihnen zum Abschied sagte? Er sagte, dass Sie das Unglück anziehen würden. Wahrscheinlich haben Sie einen Magneten im Gepäck.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich will darauf hinaus, dass ich hiermit jeden Kontakt zu Ihnen abbreche, ich untersage Ihnen, mich jemals wieder anzurufen. Am besten verschwinden Sie aus Rumänien.«
»Würden Sie das bitte etwas genauer erklären, Lucien, ich bin mir keiner Schuld . . .«
»Ich werde überhaupt nichts mehr erklären. Miriam ist verhaftet worden, gleich nachdem sie von dem Gespräch mit Ihnen in die Universität zurückkehrte. Sie ist von ihrem Dienst suspendiert! Angeblich soll sie Reisekostenabrechnungen gefälscht haben. Das ist Ihre Schuld, Mister Bongers, das haben allein Sie zu verantworten! Sie haben unverschämtes Glück, dass wir nicht so skrupellos sind wie Ihre Auftraggeber.«
20
Tudor Dragos besaß die Frechheit, Martin am nächsten Morgen anzurufen. »Ich habe mich für Sie bei der Polizei verwandt. Man hat mich aufgesucht und zu den Unterlagen befragt, die bei Ihnen gefunden wurden. Ich habe erklärt, dass die Dokumente ganz offiziell in Ihren Besitz gelangt sind. Sie erhalten alles zurück.«
Das waren sie tatsächlich, aber der Direktor aus dem Agrarministerium tat, als würde er Martin damit einen großen Gefallen tun. Martin schluckte den Ärger darüber herunter und konzentrierte sich auf die folgenden Worte und auf die kurvenreiche Strecke durchs Gebirge. Man fuhr Kolonne in Höchstgeschwindigkeit, und auf der engen Straße am Fluss entlang gab es keine Möglichkeiten zum Anhalten.
»Ich habe erklärt, wir hätten Ihnen die Papiere übergeben. Ich wollte es Ihnen gern persönlich sagen, bevor die Polizei mit Ihnen Kontakt aufnimmt. Das verläuft manchmal noch in etwas – na, sagen wir mal – überholten Bahnen. Ich hoffe, Sie wissen mein Entgegenkommen zu schätzen. Und – wie steht es mit Ihrer Übersetzerin, alles bestens?«
»Alles bestens«, antwortete Martin, und es war nicht einmal gelogen.
»Und sonst ist alles in bester Ordnung?«
»Alles, Herr Dragos.«
»Sie kommen gut voran?«
»Vor mir liegt die Schlucht von Bicaz.«
»Das freut mich zu hören. Wenn mich nicht alles täuscht, werden Sie heute in Jidvei sein.«
Will er mir zeigen, wie gut er informiert ist?, fragte sich Martin und steuerte durch die Serpentine. Simion war direkt hinter ihm, hing fast an seiner Stoßstange.
»Bestellen Sie Grüße von mir in Jidvei, gute Weine, gute Leute, und besichtigen Sie die Burg, sie wurde hervorragend restauriert. Ich hoffe, Sie melden sich, wenn Sie nach Bukarest zurückkommen.«
»Auf jeden Fall, Herr Dragos, darauf können Sie sich verlassen, das werde ich.«
Tudor Dragos war einer der Menschen, die Martin in seinem Leben bestimmt nie wiedersehen würde. Möglicherweise war er der Auftraggeber für Sofias Unfall, oder aber der befand sich weiter oben in der Hierarchie. Dafür war Dragos unverschämt. Eben erst hat er mich reingelegt, dachte Martin, und gleich danach zeigt er sich mir gewogen? Diese Unverfrorenheit
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