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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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begriff er schnell, dass er mit seinen Vorstellungen hier fehl am Platz war. Dort lag ein auf Pontons gebautes Hotel vertäut, und drum herum schwamm ein meterbreiter Gürtel von Plastikflaschen, Bierdosen, Brettern, Präservativen und ein aufgeblähter Tierkadaver. Dazu kam die Dauerbeschallung mit U S-Pop vom Monsterbildschirm, das zerstörte den Blick über den See auf die geheimnisvolle Bergkulisse am jenseitigen Ufer, auf das sich sacht der rosafarbene Nebel des Sonnenuntergangs legte.
    Die Zimmer in dem großen Holzbau waren reserviert. Sie waren modern, schlicht, sauber und günstig, nur die Badezimmertür ließ sich nicht schließen. Der Rauch aus der Esse der Küche zog als Fahne an seinem Fenster vorbei, es roch nach Holz, was Martin als angenehm empfand, es passte in die Gegend und machte Lust auf ein gutes Steak vom Grill.
    Mit Blick in den Hochwald aktualisierte Martin am Laptop seinen Reisebericht. »Ana Cristina wegen mangelnden Vertrauens entlassen«, lautete der Kommentar zur unerfreulichen Spionageaffäre. Ohne viel mit sich anfangen zu können – Simion war noch immer nicht da   –, wagte er dennächsten Versuch, den Sonnenuntergang bei einem Latte macchiato vom Pontonhotel aus zu genießen, den Dreckgürtel hinter sich lassend. Doch auch am äußersten Punkt der Hausbootterrasse beschallte ihn ein Lautsprecher, an den Pfosten für die Markise angeschraubt. Weit weg am Ufer fand er einen ins Wasser gestürzten Baum und balancierte bis in die Krone, wo er sich in eine Astgabel setzte.
    Vom Hoteltelefon rief er später Sichel in Frankfurt an, der seinen Brief glücklicherweise schon erhalten hatte. Er klärte ihn über die jüngsten Ereignisse auf und bat ihn, ihm die Namensliste, die er von Harms bekommen hatte, an dieses Hotel zu faxen. Er musste wissen, ob der Name einer Person darauf stand, die er in den nächsten Tagen aufsuchen würde. Sichel versprach, es so schnell wie möglich zu erledigen.
    Martin war eingeschlafen, als es klopfte. Erschrocken sprang er vom Bett auf – draußen stand ein bestens gelaunter Simion mit dem Fax in der Hand. »Soll ich Ihnen geben, ist soeben eingetroffen. Wer sind diese Leute?«
    Martin riss ihm die Seiten des Thermopapiers fast aus der Hand. »Kontakte – für die nächste Woche, Leute, die ich aufsuchen soll. Nichts von Belang. Gehen wir essen?«, fragte er, um rasch vom Thema abzulenken.
    Simion war geradezu euphorisch, unausgesetzt erzählte er von Ruginoasa und von Orten, die er besucht hatte. Er berichtete vom Kloster Dragomirna und von seinem Gründer, dem Metropoliten Anastasie Crimca, und dem gut erhaltenen Festungsbau. »Da war ich fast allein drin«, begeisterte er sich und lachte wie ein Kind. »So was gibt’s bei uns in den Staaten nicht.« Dann schwärmte er von den Fresken des Klosters Sucevit¸a, besonders von der ›Leiter der Tugenden‹, von der die Teufel die armen, verführbaren Menschen in die Sünde herabzuziehen versuchten, die am anderen Arm von Heiligen festgehalten wurden. ». .. Ana Cristina hat es bei Ihnen ja auch probiert, aber wo Sie so tugendhaft sind . . .«, er zog ein maliziöses Gesicht, »eigentlichschade. Ich hätte erst mal mitgespielt, das Mögliche mitgenommen, warum nicht. So eine trifft man nicht alle Tage.«
    Im Restaurant hätte Martin am liebsten sofort kehrtgemacht. Quäkende Lautsprecher verdarben ihm die Lust aufs Essen; aus dem Alter, sich dauernd beschallen lassen zu müssen, sich seine Gedanken aus dem Kopf treiben zu lassen, war er raus, und auch aus dem für Zugeständnisse an Derartiges. Simion beschwichtigte ihn und sprach mit dem Kellner, aber nichts passierte, dann ging er zum Tresen, Martin beobachtete ihn, wie er lamentierte, gestikulierte und das Gesicht verzog. Als Simion auf dem Rückweg war, herrschte fast Stille, und man hörte die Stimmen der anderen Gäste, die von der plötzlichen Ruhe nichts bemerkten.
    »Man muss mit den Leuten reden«, sagte er. »Sie hätten auch mit Ihrer Dolmetscherin reden müssen, aus ihr herausbekommen, was sie wusste, für wen sie arbeitete, was sie herausfinden wollte und wer sie auf Sie angesetzt hatte.«
    »Das weiß ich.«
    »Woher?«
    Martin horchte auf. Kehrte Simion schon wieder den ehemaligen Soldaten heraus? Die Frage war in einer Weise gestellt, als hätte Martin einem Befehl zu antworten, und das empörte ihn. »Was geht Sie das an, Marc? Was war in der U S-Army eigentlich Ihr Dienstgrad?«
    »
I am sorry,
Martin.« Simion nahm sich sofort zurück.

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