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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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in dieser oder jener Gegend, die er demnächst besuchen würde, ganz besondere Gewächse geben sollte. Wenn er dann den gelobten Wein probierte, verflog der Nimbus.
    Er rollte mit dreißig Stundenkilometern hinter einem Traktor eine Allee entlang und überlegte, ob er etwas falsch machte oder ob die übernommene Aufgabe gar nicht anders zu bewältigen war. Er kam zu dem Schluss, dass es ein Fehler gewesen war, diese Aufgabe übernommen zu haben. Darin lag sein ganzes Dilemma.
    »Machen Sie das Beste daraus«, das würde Simion in seiner oberflächlichen Art dazu sagen. »Sehen Sie die Sache positiv!« Sicher hatte Simion die Carnegie-Philosophie über Erfolg und positives Denken gefressen. ›Sorge dich nicht, lebe‹ und ›Wie man Freunde gewinnt‹.
How to make friends,
sagten die Amis, und so dachten sie auch, sie machten Freunde, sie gewannen sie nicht.
Bullshit,
wie Simion es nannte. Der Episode mit Ana Cristina war nichts abzugewinnen, auch Teubners Kündigung nicht – und schon gar nicht den Begegnungen mit offiziellen Stellen, und erst recht nicht Sofias Tod. Alle Zweifel an Luciens These von einem Auftragsmord hatten sich verflüchtigt.
    Das Kloster von Neamt¸ war im fünfzehnten Jahrhundert als spiritueller Rückzugsort und als Verteidigungsanlage gebaut worden. Die Feinde waren die Türken gewesen, und auf beiden Seiten war zum jeweiligen Gott gebetet worden, damit er dabei half, dem Feind die Gurgel durchzuschneiden. Die Türken hatten nach ihren Eroberungen die politische Kontrolle griechischen Statthaltern überlassen, um selbst im Hintergrund zu bleiben. Das war byzantinischer Stil gewesen, und es schien Martin, als hätte er sich bis heute gehalten.
    Mit dem Strom der sonntäglichen Besucher schwamm er ins Innere des viereckigen Bollwerks, dessen Seiten mehr alshundert Meter maßen und drei Stockwerke in die Höhe ragten, gekrönt vom gewaltigen Dachstuhl. Im Inneren des Gevierts stand die Klosterkirche, wo nicht der Gottesdienst, sondern die Besichtigung der Fresken die Besucher anzog. Aber Heiligenscheine, Cherubim und betende Engel um eine Mutter Gottes, die einer dringenden Restaurierung bedurfte, berührten Martin hier nicht einmal als Kunstwerke. Er betrachtete die wenigen betenden Menschen wie Fremde, die brennenden Kerzen gingen ihn nichts an, und die schwarz vermummten Gestalten der rechtgläubigen Mönche waren eher Furcht einflößend als Respekt heischend. Die Priesterkaste hatte sich auch unter Ceauşescu rechtgläubig an die Seite der Macht gestellt. Nichts, aber auch gar nichts wurde in diesem Land aufgearbeitet. Es ging nur vorwärts, Richtung EU und ins Paradies des Wirtschaftswachstums. Miriam aus Iaşi kam ihm in den Sinn, und die alte Frau, die in Bukarest in einem Autowrack hauste.
    Er setzte sich auf eine Bank und betrachtete die schwatzend vorbeiziehenden Familien. War unter den Touristen einer, der Ana Cristinas Aufgabe übernommen hatte und ihn überwachte? Oder traf Simions Annahme zu, dass man es gar nicht nötig hatte? Schwirrte der Amerikaner hier irgendwo herum? Wenn ihn nicht der religiöse Aspekt hierherzog, dann der folkloristische. Aber er war nirgends zu entdecken, und Martin suchte das Weite. Er fand es erst auf der nahen Burgruine unter einem blauen Himmel. Der Schutt von Jahrhunderten schien ihm wahrhaftiger als der orthodoxe Massentrubel, und er wurde seinen Frust erst los, als er auf einer schmalen Straße hinauf durch den Bergwald der Karpaten hetzte und sich mit ehrgeizigen Rumänen und ihren neuen Wohlstandssymbolen ein Rennen lieferte. Als er sich an seine frühere Freundin Petra erinnerte, die es genauso gemacht hatte, nahm er den Fuß vom Gas und besann sich.
    Die schattige Straße durch dichten Wald folgte irgendwannden engen Windungen des Gebirges um den Stausee. Je mehr er sich dem südlichen Ende näherte, desto lichter wurde der Wald, er wich touristischen Einrichtungen wie kleinen Hotels und Ferienwohnungen. Jugendliche zogen gruppenweise an der Landstraße entlang, jeder mit der üblichen Plastikflasche in der Hand, bis Martin rechts unten das Hotel am Ufer liegen sah. Simion war noch nicht eingetroffen.
    Die Veranda vor dem mehrstöckigen Holzbau war bis auf den letzten Platz besetzt. Kaum öffnete Martin die Wagentür, dröhnte ihm Hardcore Techno, House oder Trance entgegen, die Stile zu unterscheiden, war ihm unmöglich, aber es nervte entsetzlich. In diese Umgebung gehörten Edvard Grieg und Vivaldi, doch als er nach unten zum Ufer ging,

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