Grote, P
verwirrt bemerkte. Was war Anrüchiges dabei? Schließlich bezahlte er auch andere, die für ihn arbeiteten.
Im Supermarkt nebenan kaufte Martin Obst und staunte beim Weg zwischen den Regalen, wie viele Produkte aus Deutschland hier angeboten wurden. Kaum etwas stammte aus Rumänien, nicht einmal das Gemüse. Die europäischen Lebensmittelkonzerne hatten auch die Ernährung Rumäniens bereits im Griff.
Die Armut ringsum, die aus morschen Brettern gezimmerten Häuser an der endlosen Straße durch das kilometerlange Dorf, die einzelnen modernen Neubauten, Zäune aus Bettgestellen, aufgeschnittene Blechdosen als Dachpfannen, schrottreife Trabis, Ladas und Wartburgs zwischen weißen Luxuskarossen, das alles deprimierte Martin genauso wie das Wetter. Der Regen des Nachmittags war heftig gewesen, das Wasser stand in den Niederungen neben der dammartigen Straße, die angrenzenden Gärten und Höfe waren überschwemmt, die Häuser standen im Wasser, wo ein Bauer auf ein Pferd einschlug, das den eingesunkenen Wagen aus dem Schlamm ziehen musste. Sogar dem Kutscher reichte die graue Brühe bis zum Hintern. Das Pferd bemühte sich, der Mann schlug trotzdem, Martin hätte ihn ohrfeigen können.
Sie saßen im Hotelrestaurant mit Blick in den Garten, als Simion wieder auftauchte. Er war wie immer piekfein angezogen, graue Hose, blauer Blazer, lächelte und war besterLaune. Er rief nach dem Ober, ließ sich die Karte bringen und bestellte für alle eine Flasche Wein. »Ihr seid eingeladen.« Er überließ sogar Teubner die Auswahl. Es sah ganz so aus, als wollte er für gutes Wetter sorgen.
»Man könnte den Eindruck gewinnen, als wären Sie mit Ihren Recherchen weitergekommen, Mister Simion.«
»So ist es, Mister Teubner, aber nennen Sie mich Marc. Martin tut es auch, nicht wahr, Martin?« Er fletschte die Zähne zu einem Zahnpastalächeln.
»Weshalb sind Sie so plötzlich verschwunden. Sie haben Gas gegeben . . .«
»Ich wollte nach ... Ich habe unterwegs einen Anruf bekommen, von jemandem, der angeblich von meiner Familie gehört hat, eine andere entfernte Linie. Es soll der Enkel meines Großonkels sein.«
»Der müsste dann in Ihrem Alter sein. Haben Sie ihn getroffen?«
»Leider nicht, er ist verreist, er lebt in Satu Mare, an der Grenze zu Ungarn. Kommen wir da vorbei, Martin?«
»Das kommt darauf an . . .«
»Worauf?« Simion blickte lauernd von einem zum anderen, als vermutete er ein geheimes Einvernehmen zwischen dem Dolmetscher und Martin.
»Es dauert alles länger, als ich dachte. Möglicherweise kann ich nicht alle Weingüter besuchen, die mir empfohlen wurden«, sagte er ausweichend. »Morgen sind wir schon wieder in Odobeşti, allerdings bei einer Großkellerei, die zirka tausend Hektar Weinland gepachtet hat.«
»Ach so«, meinte Simion und war beruhigt, aber er kam nicht von seinem inneren Alarmzustand herunter. Er aß zu schnell, er trank zu viel, er verfehlte immer knapp den richtigen Moment zum Einstieg in ihre Unterhaltung. Was hatte ihn an diesem Tag aus dem Tritt gebracht?
Martin hatte von Teubner den Namen des Senators erfahren und zermarterte sich das Hirn, ob er auf Harms’ Listegestanden hatte. Es waren zu viele und fremdartige Namen, als dass er sie sich hätte merken können.
Teubner hingegen sprach vom Fall eines Italieners, der hier eine Kellerei hatte bauen lassen, ohne über Weinberge zu verfügen oder Liefergarantien von Weinbauern für Trauben zu besitzen.
»Ich vermute, dass das auch gar nicht sein Ziel war«, meinte der Dolmetscher. »Ihm ging es um die zwei Millionen aus Brüssel. Er selbst hätte zwei Millionen einbringen müssen, um die anderen beiden zu kriegen. Aber er hatte sie nicht, beziehungsweise er hat sie nicht eingesetzt, nur das Geld aus Brüssel. Und das ist weg.«
»Und wie soll das funktionieren?«, wunderte sich Martin und dachte an die französischen und deutschen Gesetze und Kontrollen.
»Das ist einfach«, meinte Teubner. »Sie lernen einen Rechtsanwalt oder Investitionsberater kennen. Der bringt Sie mit einem Politiker zusammen. Das sollte der Pate eines Bankiers oder dessen Freund sein. Die Paten sind bei uns besonders wichtig. Die richten Ihnen ein Konto ein – mit demselben Betrag, den Sie aus Brüssel haben wollen. Dafür zahlen Sie natürlich Zinsen, haben aber keine Verfügung darüber. Sie reichen Ihr Projekt beim Ministerium ein, dazu kommt der Businessplan, den die Bank als wirtschaftlich absegnet – und fertig ist die Kellerei. Dann
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