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Grounded (German Edition)

Grounded (German Edition)

Titel: Grounded (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy A. Luvers
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Kopf.
    Für einen Sekundenbruchteil fragte ich mich, ob es womöglich eine schlechte Idee war, mich in diesem Zustand hinters Steuer zu setzen. Nathalie wandte sich mit einem leisen Seufzen von mir ab und sah schweigsam und nachdenklich aus dem Fenster. Die Fahrt brachte ich mechanisch und ohne mich hinterher an sie zu erinnern hinter mich.
    Conny und René reagierten wundervoll. Zwei Sätze genügten und sie verstanden, baten uns hinein und stellten keine weiteren Fragen. Stattdessen machte Conny für uns alle eine Tasse Tee. Dann saßen wir wortlos eine knappe Stunde gemeinsam vor einer Fernsehsendung, die unregistriert an mir vorbeidudelte. Die Stimmen, die Bilder; nichts blieb hängen. Eigentlich konnte ich mich auf überhaupt nichts konzentrieren, sogar das Atmen wurde zu einer bewussten Willensanstrengung. Nathalie und ich zogen uns schließlich beizeiten in ihr Zimmer zurück um ins Bett zu gehen.
    „Rupert darf nicht sterben“, murmelte Nath alie, deren Kopf an meiner Brust ruhte.
    „Es wird schon werden.“ Ich kraulte gedankenverloren ihr Haar. Nathalies Atem streifte immer wieder das Shirt über meiner Brust. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein.
    „Was ist mit Bären?“
    „Es wird schon werden , habe ich gesagt.“
    „Ach so.“
    Es herrschte eine Zeit lang Schweigen, meine Gedanken drifteten in formlose Schwärze ab. Ein angenehmes Gefühl. Die erholsame Stille wurde wieder von der Stimme meiner Freundin unterbrochen. „Meinst du, er hat starke Schmerzen?“
    Meine Lippen drückten sich an den Haara nsatz über ihrer Stirn. „Denk nicht darüber nach.“
    Sie rutschte unruhig ein wenig nach oben. „Wie könnte ich nicht darüber nachdenken?“ Ihre Finger krallten sich, ohne dass sie es bemerkte, fest in das Fleisch an meinen Rippen. „Und selbst wenn ich nicht daran denke, das würde doch nichts daran ändern, dass er trotzdem leidet.“
    „Er wird unter Betäubung stehen. Im Kra nkenhaus sind sie nicht zimperlich mit Schmerzmitteln.“ Ob man im Krankenhaus zimperlich mit Schmerzmitteln war oder nicht, wusste ich nicht, aber darum ging es nicht. Nathalie musste sich beruhigen, hauptsächlich, weil ich nicht die Kraft hatte, mich mit ihren Sorgen auseinanderzusetzen oder einen hysterischen Anfall aufzufangen.
    „Ja, wahrscheinlich hast du Recht.“ Meine Freundin gab Ruhe und überließ mich wieder der Leere hinter meiner Stirn.
    Einmal, als ich klein war, war ich für mehrere Wochen krank und ans Bett gefesselt. Jeden Tag verbrachte ich von früh bis spät auf meiner Matratze und konnte kaum aufstehen. Als ich das erste Mal wieder ohne Schwindel- und Kopfschmerzattacken eine aufrechte Position einnehmen konnte, entdeckte ich einen Tuschkasten bei uns im Wohnzimmer. Mein Vater saß in seinem Sessel und las ein Anatomie-Buch.
    Ell, die damals keine zwei Jahre alt gewesen war, hatte die Hände in bunte Farbe getaucht und anschließend auf einem Blatt Papier herumgetatscht. Ich tat dasselbe; ich benetzte meine Hände mit Wasser und rieb sie mit grüner und blauer Farbe ein. Dann tapste ich zu Dad und schmierte meine Finger an seinem hellen Pullover ab. Als keine Farbe mehr von meinen Fingern zu holen war, wiederholte ich den Vorgang; ich machte die Hände nass, beschmierte sie mit zwei Farben aus dem Tuschkasten und färbte Dad damit ein. Vermutlich war das ruinierte Kleidungsstück ein sehr teurer Pullover, aber Dad schimpfte nicht und er entzog sich mir auch nicht. Stattdessen animierte er mich, auch seine Hose mit Farbe zu verzieren, nachdem er sein Buch beiseite gepackt hatte. Zum ersten Mal seit Wochen lachte ich wieder aus voller Brust.
    Mein Lachen war damals frei und unb eschwert; ein Gefühl, an das ich heute nur zurückdenken kann. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht mehr, wie es sich angefühlt hat, aber allein der Gedanke daran, dass es einmal eine Zeit gegeben hat, in der ich so ehrlich lachen konnte, machte mich froh.
    Als Letztes, nachdem Pullover und Hose bunt genug waren, schmierte ich meine Hände an Dads Wangen ab.
    Sein Drei-Tage-Bart kratzte angenehm über die zarte Haut an meinen Handflächen, während er mir zwischendurch immer wieder spielerisch in die Finger zu beißen versuchte.
    Dad.
    So sehr ich mich auch bemühte, in diesem Moment war dieser Dad der Einzige, der lebhaft in der Schwärze in meinen Gedanken auftauchen wollte – der bunt bemalte, gelassene Dad, mit dem ich aus vollem Herzen gelacht hatte. Dieser Tag nach meinem langen Fieber war übrigens der erste und einzige,

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