Grounded (German Edition)
aus Gründen des Anstandes zusammen.
Nathalies Finger verschränkten sich erneut mit meinen, diesmal ließ ich sie, wenn auch widerwillig, gewähren. Ihre Hand war kalt und nass von Schweiß. Sie zitterte leicht. Meine Übelkeit wurde stärker.
„Ihr Vater hat deutlich weniger Glück gehabt. Sein Zustand ist ernst. Er wird auf der Intensivstation behandelt. Sie können zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht zu ihm, weil er operiert wird.“
„Was ist denn überhaupt geschehen?“
„Ihr Vater und Ihre Schwester waren mit dem Taxi unterwegs. Das Taxi ist wohl mit einem überholenden Fahrzeug kollidiert. Der Fahrer des Taxis hat den Unfall nicht überlebt, der Fahrer des anderen Wagens liegt ebenfalls auf der Intensivstation.“ Sie schaute zwischen mir und Nathalie hin und her, bis sie sich wieder konkret an mich wendete. „Ihre Schwester hat wahnsinniges Glück gehabt, dass sie kaum etwas abbekommen hat.“
„Und mein Vater? Also, er wird operiert, okay. Und wie geht es weiter?“
„Das ist schwer zu sagen. Es tut mir sehr leid, ich kann Ihnen keine genauen Auskünfte geben, das kann nur der zuständige Oberarzt.“
„Aber er wird es doch schaffen?“
Der Blick der Schwester rutschte für den Bruchteil einer Sekunde bekümmert in Richtung Fußboden. „Ich weiß es nicht.“
Nach einigen tiefen Atemzügen legte ich meine freie Hand auf Nathalies eiskalte Finger, die jetzt noch stärker bebten. Ich stellte fest, dass ihr Gesicht nun nicht mehr grün sondern leichenblass war.
„Ist es nicht doch besser, wenn wir Ell mi tnehmen?“, warf ich daraufhin leise ein. „Sie sollte ihn nicht sterben sehen.“
Die Schwester setzte, nach wie vor mit beileidigem Gesicht, zu einer Bemerkung an, Nathalie kam ihr aber zuvor. „Sie steht unter Schock, Danny. Vielleicht hat sie eine Gehirnerschütterung oder so. Ärztliche Aufsicht wäre das Vernünftigste.“
Ich nahm sie in den Arm und wie Ell zuvor vergrub sie ihr Gesicht an meiner Schulter. Im Gegensatz zu meiner Schwester weinte sie lautlos und ohne den Körper dabei zu bewegen. Vermutlich wollte sie sich vor der Schwester nicht gehen lassen.
„Und was machen wir jetzt am besten?“, fragte ich die Schwester, darum bemüht, nicht die Beherrschung zu verlieren, auch wenn es mir von Sekunde zu Sekunde schwerer fiel. Ich hasste es, wenn Menschen mir Mitleid entgegen brachten. Ich hasste es sogar, wenn Nathalie das tat, auch wenn ihr Mitgefühl immer ehrlich war.
Wahrscheinlich konnte ich Mitleid als solches nicht ausstehen, egal, von wem es kam und warum.
„Am besten gehen Sie nach Hause. Und sind froh, dass wenigstens Ihre Schwester mit dem sprichwörtlichen blauen Auge davongekommen ist.“ Ich musste zur Seite sehen. In einem solchen Moment mit Redewendungen um sich zu werfen, fand ich beinahe noch geschmackloser, als die Trauermiene, die die Schwester mit beruflicher Routine zog.
Nathalie richtete sich neben mir auf. „Es gibt nichts, was wir tun können, außer nach Hause zu fahren?“
Die Schwester schüttelte den Kopf. „Sie kön nten natürlich auch hier warten, aber es wird vermutlich noch eine ganze Weile dauern, bis wir Neuigkeiten für Sie haben. Und ein wenig Ruhe könnten Sie beide jetzt wahrscheinlich gebrauchen. Wir würden Sie selbstverständlich umgehend informieren, wenn es etwas Neues gibt.“
Ich zog Nathalie näher an mich heran um sie auf die Stirn zu küssen. „Lass uns gehen“, sagte ich leise. Sie zögerte erst, nickte dann aber doch.
Die Schwester stand mit uns zusammen auf. „Ruhen Sie sich etwas aus“, empfahl sie noch einmal fürsorglich.
Nathalie hielt inne, löste sich dann von mir und kramte etwas zum Schreiben aus ihrer Handtasche hervor. Sie notierte auf dem Zettel die Nummer ihrer Eltern und überreichte sie der Schwester.
„W enn unter der anderen Nummer niemand zu erreichen ist, rufen Sie bitte hier an.“
Die Krankenschwester nickte.
Wir verließen das Krankenhaus und stiegen in meinen Wagen. „Ich finde, wir sollten jetzt nicht allein sein“, sagte Nathalie erschöpft. „Lass uns bei meinen Eltern bleiben, bis wir Näheres wissen.“
Ich war zwar, anders als sie, der Auffassung, dass es mir sogar sehr gut getan hätte, einige Zeit allein zu sein, hatte aber nicht die Kraft, mich mit ihr darüber zu streiten. Der Wagen startete mit demselben angenehmen Schnurren wie immer. Dem Geräusch haftete ein wenig Normalität an. Einerseits beruhigte mich das, zum Anderen verstärkte es die dumpfe Leere in meinem
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