Grounded (German Edition)
erschien mir auch eher unangenehm. Ich wollte allein sein.
Allerdings war das Wichtigste, dass es Elena gut ging.
Wenn sie auf familiären Beistand Wert legen sollte, dann hatte ich nicht das Recht zu protestieren.
Diese Überlegung erinnerte mich daran, dass ich jetzt der Erwachsene hier war. Ich war für Ell verantwortlich.
Damals hatte ich es nicht verstanden, albern gefunden, mich abgestoßen gefühlt. Damals, kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag, hatte Dad mich beiseite genommen und gefragt, ob ich im Fall des Falles dazu bereit und in der Lage wäre, mich um meine Schwester zu kümmern.
„Was soll die Frage, Dad? Ell ist bald volljä hrig, in den paar Jahren wird ja wohl nichts passieren.“
„Wahrscheinlich nicht. Trotzdem. Bei uns im Krankenhaus sterben jeden Tag Menschen und man macht sich so seine Gedanken. Was wäre, wenn. Das kommt so schnell manchmal. Und komplett aus heiterem Himmel. Ich würde mich wohler fühlen, wenn für den Fall der Fälle alles soweit geklärt wäre.“
„Du spinnst doch. Den Teufel so an die Wand zu malen, also ehrlich. Man könnte meinen, du wärst komplett paranoid geworden. Aber bitte. Natürlich würde ich mich um Ell kümmern, wenn dir etwas zustößt.“
Ich seufzte. Mir wurde klar, dass mir einige, wenn nicht sogar eine ganze Menge, organisatorische Behördengänge bevorstanden, bevor Ell und ich uns eine Verschnaufpause gönnen konnten und mir graute jetzt schon davor.
„No, we will be fine, I promise“, sagte Elena ins Telefon. „Yeah, I know. On Tuesday? Alright. Do you know, what time--? Fine.” Sie notierte sich etwas auf einem Zettel. „Don’t worry about it. It is bad timing after all. Yes, I know. Yeah. I can’t believe it, either—“
Ihre Stimme versagte plötzlich; Elenas Augen füllten sich mit Tränen und ihre Hände begannen zu zittern.
Hilfe suchend blickte sie in meine Richtung. Ihre Lippen fehlte die Farbe und sie bebten. Dann hielt Ell den Hörer verzweifelt von sich weg. Ich nahm ihn ihr aus der Hand. Meine Schwester stand auf und flüchtete in ihr Zimmer.
„Hey, it’s me again“, sagte ich.
Oma schluchzte am anderen Ende der Leitung. „Ich kann nicht glauben, dass Rupert tot ist. Ich kann es immer noch nicht glauben”, brachte sie auf Englisch hervor. „Und ich fühlte mich furchtbar, weil Opa und Bob nicht zur Beerdigung mitkommen können. Und weil ich auch nur zwei Tage bleiben kann, aber im Moment kann ich einfach nicht länger weg bleiben, zur Zeit gehen die Dinge hier auf der Farm auch drunter und drüber, weißt du? Ein Großteil der Schafe ist krank und --” Ich wartete, bis Oma sich wieder ein wenig beruhigt hatte. „Und ihr Kinder seid euch sicher, dass ihr nicht zu uns kommen wollt? Nur für ein paar Wochen. Get a break from all this mess.”
„It’s really nice that you would offer that, but we need to stay here. There’s lots of things I need to take care of, I can’t just leave. And same goes for Elena. Escaping won’t get us anywhere, grandma.”
„Are you really sure? We have lots of space.”
„Ich weiß dein Angebot wirklich zu schätzen. Und ich werde es Elena auf jeden Fall vorschlagen. Allerdings denke ich, dass wir beide uns lieber eine Weile vor der Welt verstecken werden”, antwortete ich ihr auf Englisch.
„Ja. Kann ich verstehen.”
Als die Stimmung wieder zu kippen drohte und ich bemerkte, dass Oma vermutlich einen erneuten Weinkrampf bekommen würde, beendete ich das Gespräch und hängte auf. Dann atmete ich ein paar Mal tief durch und kämpfte das übelkeiterregende schwarze Loch in meinem Innern in eine Schublade, wo es mich nicht stören konnte. Ich musste nach meiner Schwester sehen.
Elena lag auf der Seite, ihre Wangen waren noch von Tränenspuren überzogen. Zwischen ihrem Bauch und den angewinkelten Beinen saß Luzifer, das schwarze Kaninchen, und wurde hinter den Ohren gekrault.
Schrille E-Gitarren dröhnten aus der Musika nlage.
„Geh weg“, fauchte Ell ohne mich anzusehen. Von ihrem stellenweise sehr ruppigen Auftreten ließ ich mich schon lange nicht mehr einschüchtern. Ich setzte mich mit einem kleinen Sicherheitsabstand zu ihr auf die Bettdecke. Meine Schwester schwieg und starrte missmutig auf die Kaninchenohren.
Ich wartete zwei Songs ab. „Was hältst du von Omas Vorschlag, für eine Weile zu ihr zu ziehen?“, fragte ich dann.
„Nichts.“
„Ja. Ich auch nicht.“
„Ich will niemanden sehen“, brummte sie.
Ich nickte. Am liebsten hätte ich mich
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