Grounded (German Edition)
wegen Nathalie mit dem Online-Dating angefangen habe?“, sagte Elena irgendwann. Ihre Stimme klang fremd in der lieb gewonnenen Stille.
„Nein.“
„War aber so. Als du sie damals mitgebracht hast, hab ich gedacht, dass ich auch jemanden haben will, der mich liebt. Jemanden ganz für mich alleine.“
Ich drückte sachte meine Lippen auf ihre Stirn.
„Kurz darauf hatte ich auch gleich mein erstes Date. Es hat eigentlich super angefangen. Wir haben uns in so einem Fastfood-Laden getroffen, abends um sieben, und zusammen gegessen. Der Typ war so süß.“ Ells Stimme klang kraftlos. „Und es war total lustig mit ihm, wir haben die ganze Nacht durch gequatscht. Ich hab Dad irgendwann ne Nachricht geschickt, dass ich bei Clarissa übernachte, damit ihr euch keine Sorgen macht. Vielleicht erinnerst du dich?“ Ich musste verneinen. „Na, ist ja auch wirklich sehr lange her. Jedenfalls haben wir die ganze Nacht da gesessen und geredet. Morgens um vier wurden wir dann vom Personal rausgeschmissen, weil die sauber machen und aufräumen wollten. Wir haben erst noch überlegt, wohin, sind dann aber zu ihm gefahren und haben zusammen einen Film geschaut. Der Film war toll, es ging ums Tanzen und um Romantik und das alles völlig unkitschig.“ Auf Ells Gesicht legte sich ein erschöpftes Lächeln, als sie zurückdachte. „Irgendwann waren wir so müde, dass wir einfach Arm in Arm beim Fernsehen eingeschlafen sind. Das war so abgefahren.“
Sie legte die Wange an ihre eigenen Finger und schwieg eine Weile nachdenklich.
„Und dann?“, fragte ich.
„Zwei Tage später haben wir uns wieder getroffen. Euch habe ich wieder erzählt, dass ich bei Clarissa schlafe. Besonders misstrauisch seid ihr zwei nie gewesen, ehrlich, ich hätte mich in sonst was für Drogen- und Puffvierteln rumtreiben können und ihr hättet nichts gemerkt. Wie dem auch sei. Zwei Tage später hab ich mich also wieder mit dem Typen getroffen. Es war ein total perfekter Abend. Wir haben Pizza gegessen. Er hatte zwar nur eine von diesen Meeresfrüchte-Pizzen da und eigentlich hasse ich Meeresfrüchte, aber ihm zuliebe habe ich mir nichts anmerken lassen und sie trotzdem gegessen. Und so schlecht hat sie gar nicht geschmeckt. Oh, und wir hatten Eis. Er hat mich damit gefüttert. Ist das nicht süß?“ Sie seufzte. Die Geschichte würde nicht gut enden, das war klar. „Das war echt total schön. Und irgendeine DVD haben wir angesehen, ich erinner mich gar nicht mehr an den Film. Nur, dass wir uns total lange geküsst haben, weiß ich noch. Er konnte wirklich toll küssen. Okay, der Sex war nicht so besonders, aber das ist ja bei den ersten paar Malen immer so, man stellt sich ja erst mit der Zeit aufeinander ein, nicht? Von daher fand ich das nicht weiter wild, vor Allem, weil der nächste Morgen so schön war. Er hat mich zur Bahn gebracht und gesagt, wie schön er es fand, neben mir aufzuwachen.“ Ich musste schlucken, aber Ell merkte mir glücklicherweise nichts an. „Am Abend hat er mir dann eine SMS geschrieben. Ich hab mich erst total gefreut, als ich gesehen hab, dass er geschrieben hat und war superhappy. Aber dann stand drin, das mit uns würde nicht so richtig passen, er würde sich nicht wohl fühlen und wir sollten uns lieber nicht nochmal wiedersehen. Danach kam nie wieder etwas von ihm.
Wenn ich versucht hab anzurufen, ging er nicht ran, auf Mails und SMS hat er nicht geantwortet.“ Sie schnaufte leise. „Eigentlich eine richtig blöde Erfahrung für ein erstes Date. Aber irgendwie … anfangs war es ja total schön. Irgendwie konnte ich die Hoffnung nie aufgeben, dass es irgendwann auch einfach mal hinhaut. Dass es nicht nur anfangs schön ist, sondern schön bleibt. So wie bei dir.“
Meine Schwester war damals vierzehn gew esen, hatte ich zeitgleich zu ihrem Bericht ausgerechnet. Die Leichtigkeit, mit der sie von den Ereignissen erzählte, machte deutlich, dass der Sex mit diesem Internet-Typen nicht ihr erster gewesen war.
Ich verspürte einen Stich in meiner Brust. Wann genau war Ell zu einem Teenager geworden? Wann genau hatte sie aufgehört, das Mädchen mit den aufgeschürften Knien und dem roten Haarreif zu sein und sich in jemanden verwandelt, der Interesse an Jungs und Sex hatte?
Seit ihrer Geburt hatte ich fast jeden Tag mit ihr verbracht. Mit ihr gesprochen. Gestritten. Sie geärgert. Ihr geholfen. Ich war jeden Tag in ihrer Nähe gewesen und dennoch hatte ich im Endeffekt, wenn man es genau nahm, nicht die
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