Grounded (German Edition)
darüber nachzudenken, was alles schief gehen konnte, oder um mir im Vorfeld zu überlegen, wie ich mit allen möglichen Feindseligkeiten, die mir entgegenschlagen mochten, umgehen sollte.
Ich musste zu ihr, das war das Wichtigste.
Ein letztes Mal versuchte ich, sie auf dem Handy anzurufen, wieder hörte ich die Bandansage. Während ich durch das Unwetter lief, meine Lunge zu brennen begann und ich noch nicht einmal die Hälfte der Strecke hinter mich gebracht hatte, sinnierte ich über die Absurdität dieses Szenarios. Nathalie und ich hatten uns lange Zeit nicht mehr gesprochen und jetzt, nachdem wir miteinander geredet hatten, kurz und über das Telefon, war ich offenbar der letzte Mensch der Welt, mit dem sie sprechen wollte. Es war skurril, was einige wenige Worte anrichten konnten. Wie sehr Worte imstande waren, jemanden zu verletzen. Zu zerstören.
Würde es irgendetwas bringen, dem ganzen Chaos einen weiteren Haufen Wörter entgegenzustellen? Würde sie mir zuhören? Würde sie mir glauben ? Und selbst wenn sie mir glaubte, konnte das auch nur einen Bruchteil dessen wieder gutmachen, was sie meinetwegen hatte durchmachen müssen? Ich hatte keine Antwort. Und ich konnte mich auch nicht zu sehr in dieses Gewirr aus Fragen hineinverstricken. Ich musste mich konzentrieren. Weiter laufen. Weiter. Um noch eine Ecke. Und noch eine. Eine weitere Ampel, die mich zwang, meinen Lauf kurzzeitig zu stoppen. Ich hasste das.
Es kostete mich etwas mehr als eine halbe Stunde, bis ich mein Ziel erreichte. Nun, das war auch nicht wesentlich länger als die Fahrtzeit mit dem Bus. Dafür waren meine Hosen nass und meine Klamotten verschwitzt.
Mit klopfendem Herzen bestieg ich die Treppe zu ihrem Hauseingang. Dann gefror mir das Blut in den Adern und Panik krampfte sich in einem grausamen, mächtigen kleinen Ball in meinem Bauch zusammen.
Ihr Name war nicht mehr da. Ich lehnte die Stirn fassungslos gegen die kalte Tür.
Erst jetzt bemerkte ich, wie erschöpft ich war.
Ihr Name war weg.
Sie war weg.
*
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie damit etwas anfangen kann“, gestand Rupert und rieb sich nachdenklich die Nase.
„Gerade. Ich bin mir sicher, sie wird es lieben.“
„Ich weiß nicht.“ Rupert nippte an seinem Tee. Es war eindeutig, dass er nicht besonders viel von dieser Idee hielt. Als Danny dazustieß, wandten sich Nathalie und Rupert gleichzeitig in seine Richtung. „Hör mal--“, sagten sie wie aus einem Munde. Dann sahen sie einander an und lachten.
„Was gibt’s denn?“ Manchmal fiel es Danny schwer, mit Nathalie und seinem Vater mitzuhalten. Er verließ zehn Minuten den Raum und wenn er zurückkehrte, hatte er keinerlei Anschluss, weil die beiden komplett in ihre eigene kleine Welt abgetaucht waren, von der er nicht besonders viel verstand. Es war, als wären sie nicht nur in einem anderen Kapitel, sondern in einem komplett anderen Buch als er.
„Wir beraten uns gerade über Ells Weihnachtsgeschenk“, erklärte Rupert, „Nathalie ist der Meinung, dass Ell sich über ein Kaninchen freuen würde.“
„Ein Kaninchen?“
Danny und Nathalie waren seit etwas mehr als einem halben Jahr zusammen. Insgeheim freute er sich sehr auf das erste gemeinsame Weihnachten mit seiner Freundin, auch wenn ihm kein wirklich gutes Geschenk für sie einfallen wollte. Aber darum ging es auch gar nicht.
Allein der Gedanke daran, die Festtage mit ihr zu verbringen, machte ihn glücklich. Für den kleinen Mikey hatte er bereits ein großes Plastik-Feuerwehrauto gekauft, bei Nathalies Schwester Anna war das letzte Wort noch nicht gesprochen. Danny war für einen Shopping-Gutschein, Nathalie für einen Kino-Gutschein, damit Anna einen romantischen Abend mit Jan verbringen konnte.
„Ich hab ein gutes Gefühl dabei. Ein Tier b edeutet Verantwortung und ich glaube einfach, Ell ist ein Typ, dem so was gefallen würde. Hier in der Familie ist sie zwangsläufig das Nesthäkchen, so hätte sie jemanden, um den sie sich kümmern könnte. Sie ist immerhin ein Mädchen. Alle Mädchen haben Mutterinstinkte. Die wollen ausgelebt werden.“
„Hm“, murmelte Rupert, „kein schlechtes A rgument. Sie ist in jedem Fall eine sehr hingebungsvolle Krankenschwester, wenn einer von uns mal flach liegt.“
Danny konnte dem nur zustimmen. Ell kochte die beste Hühnersuppe weit und breit, auch wenn sie ansonsten eine absolute Niete am Herd war.
„Na gut. Dann schenken wir ihr eben ein K aninchen. Wenn sie sich allerdings
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