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Grrrimm (German Edition)

Grrrimm (German Edition)

Titel: Grrrimm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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Kugel ins Wasser gefallen ist.«
    Der Frosch bettelt, er fleht, und schließlich beginnt er zu drohen. Er droht, es meinem Vater zu sagen, wenn ich ihn nicht mit in meine Kammer nehme.
    Ich lache ihn aus.
    »Tu das! Sag ihm, dass du mit seiner Tochter im selben Zimmer schlafen willst. Er schlägt dich tot, bevor du zu Ende geredet hast.«
    Der Frosch gibt nicht auf. Er schwört, dass er in der äußersten Ecke meiner Kammer sitzen bleiben und sich mir nicht nähern, noch ein einziges Wort sagen wird, er verspricht, mich mit dem Abendlied der Moorfrösche in den Schlaf zu singen, er schwört, dass er lange vor Morgengrauen verschwunden sein wird, und dass niemand davon erfährt.
    Seine Drohungen können mich nicht einschüchtern, seine Bitten mich nicht besiegen und seine Versprechungen mich nicht verlocken. Es ist die Gelegenheit, heimlich etwas gegen den Willen meines Vaters zu tun, der ich schließlich nicht widerstehen kann.
    Der Frosch bringt den Geruch des Waldes und die Kühle des Wassers mit ins Zimmer. Er setzt sich in die Ecke, die am weitesten von meinem Bett entfernt ist, und beginnt mit geschlossenem Maul Luft zu pumpen. Ich schalte das Licht aus und lege meine Kleider ab. Als ich nach meinem Nachthemd greife, explodiert vor dem Fenster eine einzelne Feuerwerksrakete, und meine Haut leuchtet grün und golden auf, bevor ich den weißen Stoff darüberziehen kann. Der Frosch sitzt in seiner Ecke. Unkenhaft gedämpft und weich steigen die ersten Töne auf wie Luftblasen vom Grund eines Sees. Ein Knurren und Schnarren, dann kommt ein dumpfes Grollen hinzu, unterbrochen von einigen Trillern. Das Grollen geht in ein bienenhaftes Summen über und schließlich in ein metallisches Hämmern. Das Lied schwillt an und ab, und der Frosch singt so schön, dass ich mir auf die Lippen beißen muss. Etwas Hartes und Kaltes, das mir das Herz bisher eingeschnürt hat, bricht krachend.
    »Was war das für ein Geräusch?«, fragt der Frosch.
    »Nichts – nur das Feuerwerk draußen«, sage ich, »sing weiter!« Der Frosch singt weiter. Fast wünschte ich, er würde näher kommen und neben meinem Bett sitzen, aber da ist auch noch diese amphibische Feuchtigkeit, die von ihm ausgeht, und die mich selbst aus dieser Entfernung schaudern lässt, und darum sage ich nichts und schlafe schließlich ein. Als ich am Morgen erwache, ist er bereits fort.
    Am Neujahrsabend ist er wieder da. Dieses Mal öffne ich selbst die Tür, bevor der Butler es tun kann, begrüße ihn freundlicher als sonst und beeile mich, ihn aus der kalten Luft ins Warme zu bringen. Die Haut des Frosches ist nun beinahe schwarz, ein milchiger Film liegt auf seinen bernsteingelben Augen, und er zieht ein Bein nach. Ich muss ihm helfend unter die Schulter greifen, als er seinen Stuhl am Esstisch erklimmt. Nervös schiebt er das Besteck hin und her.
    »Nimm von den Trüffeln, und dann streu ein bisschen Muskat darüber«, sagt mein Vater, »so etwas hast du noch nie gegessen.«
    Er ist völlig vernarrt in den Frosch. Er nennt ihn einen frechen Teufelskerl und behauptet, früher genauso gewesen zu sein. Seinen elenden Zustand bemerkt er nicht. Der Frosch wirkt angespannt, er isst von meinem Teller, vermeidet es aber, mich anzusehen. Erst, als mein Vater ihn fragt, ob er noch ein zweites Dessert möchte oder sonst einen Wunsch habe, wirft er mir schnell einen Verzeihung heischenden Blick zu und antwortet: »Ich habe tatsächlich noch einen Wunsch: Ich möchte mit deiner Tochter in einem Bett schlafen.«
    Das ist sein Tod. Wie kann er glauben, dass mein Vater ihm das durchgehen lässt? Es gibt nur eine Möglichkeit, ihn zu retten.
    »Nein«, rufe ich und springe vom Tisch auf. »Das werde ich nicht tun. Auf keinen Fall! Du kannst sagen, was du willst, aber ich werde nicht mit einem Frosch das Bett teilen. Niemals. Dazu kannst du mich nicht zwingen.«
    Mein Vater, der Verbrecher, sitzt mit versteinertem Gesicht am Tisch. Es kämpft in ihm. Wird er den dreisten Frosch mit einem Stuhl erschlagen, ihn unter seinen Stiefeln zermalmen? Oder ist es ihm wichtiger, mich seine Macht spüren zu lassen, seine grenzenlose Macht, die von mir niemals in Frage gestellt werden darf, selbst dann nicht, wenn wir einer Meinung sind.
    »Hast du es versprochen oder nicht?«, sagt mein Vater ruhig. »Was man versprochen hat, das muss man auch halten.«
    Der Frosch humpelt vor mir her.
    »Wie du mich anwiderst …«, sage ich und schließe die Tür meines Zimmers hinter uns. Der Frosch sieht zu

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