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Grrrimm (German Edition)

Grrrimm (German Edition)

Titel: Grrrimm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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Kälte.
    »Ich will von deinem Teller essen.«
    »Sei doch still und warte, ich bringe dir etwas heraus.«
    Aber er springt vor mir her ins Esszimmer, springt auf einen Stuhl und stemmt eine Schwimmhand auf den Tisch, an dem mein Vater, der Verbrecher, sitzt.
    »Eure Tochter hat versprochen, dass sie mit mir von einem Teller essen will.«
    »Von einem Teller? Stimmt das«, fragt mein Vater überrumpelt.
    Ich schüttle den Kopf und setze mich wieder an den Tisch.
    »Ich habe ihr die goldene Kugel wiedergebracht, die sie in den See hat fallen lassen, und sie hat versprochen, mir dafür drei Wünsche zu erfüllen.«
    Dieser Verräter! Mein Vater legt seine Hand auf meine, tätschelt sie kurz und drückt sie dann so fest zusammen, dass mir die Tränen in die Augen schießen.
    »Du hast den Ball in den Teich fallen lassen?«
    Ich nicke bloß und wage nicht, meinen Vater anzusehen. Er drückt jetzt so fest, dass ich fürchte, er wird mir die Finger brechen.
    »Dann«, sagt mein Vater zu dem Frosch, »sind wir Ihnen zu mehr als nur zu Dank verpflichtet.«
    Er lässt meine Hand los.
    »Worauf wartest du? Füll unserem Gast auf! Nein, nein, tu die Suppe auf deinen eigenen Teller! Nimm auch von dem Brot und der Entenpastete! Dominga soll ein weiteres Besteck bringen.«
    Er geht zum Wandschrank und holt seine besten Moser-Gläser heraus, schenkt uns allen Champagner ein und stößt mit dem Frosch an. Der Frosch lächelt beglückt, er fühlt sich geehrt und merkt nicht, dass mein Vater nur seine Herrschaft über mich beweisen will.
    Wir essen abwechselnd vom selben Teller, der Frosch und ich. Jedenfalls gebe ich es vor. Rote Suppenflecke auf dem weißen Tischtuch, eine grabschende Schwimmhand, klirrende Gläser, schwappende Flüssigkeiten, ein auf- und zuklappendes Lurchmaul und mein stetig wachsender Ekel. Der Frosch riecht nach Sumpf, nach kalter Armut, und jetzt, wo er allmählich auftaut, tropft er auf den Boden.
    »Esst! Esst nur tüchtig, ihr beiden. Lasst es euch richtig schmecken«, ruft mein Vater, lacht und hebt sein Glas. Ich kann die Tränen kaum zurückhalten.
    »Nun bin ich satt. Nun will ich wieder gehen«, sagt der Frosch.
    »Aber nein«, ruft mein Vater. »Kommen Sie, rauchen Sie wenigstens noch eine Zigarre mit mir.«
    Er verschwindet mit dem Frosch im Raucherzimmer. Sie lassen mich am Tisch zurück, als gäbe es mich gar nicht. Dichte Wolken von Zigarrenrauch und männlichem Einverständnis quellen unter der Tür hervor.
    Von nun an erscheint der Frosch jeden Abend, und ich muss ihn von meinem Teller essen lassen und bekomme selber kaum noch einen Bissen herunter. Mein Vater lädt ihn immer wieder ein. Manchmal schiebt er ihm sogar seinen eigenen Teller hin. Hinterher sitzen sie Zigarren paffend im Raucherzimmer. Ich höre sie gemeinsam lachen. Manchmal steht die Tür auf. Dann sehe ich, wie sie sich über ein besonders wertvolles Jagdgewehr beugen, über Golfschläger, die Karte eines pakistanischen Grenzgebiets oder den Plan der Wiener Kanalisation.
    Der letzte Tag des Jahres ist unbarmherzig kalt. Alle Teiche, Seen und Flüsse sind von Eis überzogen. Aber pünktlich um acht sitzt der Frosch vor der Tür. Lange hält er das nicht mehr durch. Seine Haut ist nun nicht mehr braun, sondern hellblau und hängt wie ein schwerer Lappen auf den Knochen. Gestern hat er einen seiner Zehen verloren. Er brach wie sprödes Glas. Mein Vater hat die Villa verlassen, um mit anderen Verbrechern Silvester zu feiern. Ich muss hierbleiben und seinem Freund, dem Frosch, ein Festmahl auftischen. Ein Festmahl, das auf einem einzigen Teller serviert werden wird. Nur der Butler ist noch im Haus. Diesmal hat die peruanische Köchin frei. Nachdem der Butler den Frosch hereingelassen und das Essen aufgetragen hat, zieht er sich in sein Butlerzimmer zurück, um fernzusehen. Es ist das erste Mal, dass ich mit dem Frosch allein bin. Ich schiebe ihm den Teller mit dem Hummer hin und esse gar nichts. Der Frosch müht sich mit der Hummerzange. Schließlich gibt er auf. Er seufzt, als fiele es ihm schwer zu sprechen, und sagt:
    »Der zweite Wunsch: Heute will ich, dass du mich mit in deine Kammer nimmst.«
    »Nein.«
    Er besteht darauf – ich hätte ihm drei Wünsche versprochen und die müsste ich nun einlösen. Ich sage ihm, dass er sich hier schon ziemlich lange breitgemacht hat, und dass er endlich verschwinden soll.
    »Es ist mir völlig egal, was ich dir versprochen habe«, sage ich. »Außerdem war es sowieso deine Schuld, dass die

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