Grrrimm (German Edition)
wir splitternackt und bettelarm sein.«
Auch das sah die zwölfte Fee ein und besserte noch einmal nach, indem sie versprach, ein undurchdringliches Dornengestrüpp um das Schloss herum wachsen zu lassen, und damit gab sich die Königin dann zufrieden.
Prinzessin Florentine wuchs heran und wurde so schön und anmutig, wie die Feen das für sie arrangiert hatten. Als ihr fünfzehnter Geburtstag bevorstand, waren sämtliche Spindeln längst außer Landes geschafft worden und man hatte einen Ideenwettbewerb ausgeschrieben, wie die Prinzessin am besten zu schützen sei. Feiern konnte man an diesem gefährlichen Tag natürlich nicht. Darum fand das Fest bereits am Vorabend statt. Diesmal wurden die Tische hellgrün dekoriert und alle standesgemäßen oder besonders hübschen jungen Adligen der Umgebung waren eingeladen. Prinz Alphons, der Thronfolger von König Corso aus dem Nachbarreich, war auch dabei. Mit großen Augen sah er zu, wie Prinzessin Florentine mit einem jungen Herrn nach dem anderen tanzte, und zwar sehr ausgelassen. Alphons war ein wenig schüchtern, und da ihm die dreizehnte Fee dazu noch das Geschenk der Geduld in die Wiege gelegt hatte, hielt er sich vorerst zurück, tanzte bloß einmal mit einer kleinen, drallen Baroness und wartete ansonsten auf eine besonders günstige Gelegenheit, die Prinzessin selbst aufzufordern. Als kurz vor Mitternacht der König und die Königin mit dem Hofmarschall erschienen und das Fest unterbrachen, hatte Alphons noch kein einziges Mal mit Florentine getanzt, sein kleiner Bruder hingegen schon viermal. Hinter dem Hofmarschall wurde eine riesige gläserne Kugel hereingerollt. Sie war so groß, dass die Prinzessin durch eine Öffnung hineinsteigen konnte, die Tür wurde wieder verschlossen, und wenn die Prinzessin nun vorwärtsschritt, so rollte die Kugel um sie herum und unter ihr hindurch, und sie konnte aus dem Schloss in den Hof laufen und musste doch ihre Kugel nicht verlassen. Der Hofmarschall beglückwünschte den königlichen Glasbläser zu seiner Erfindung und überreichte ihm die Siegerurkunde des »Ideenwettbewerbs zur Rettung der Prinzessin« nebst einem goldenen Dukaten. Aber nun fingen einige der jungen Prinzen an, die Glaskugel mit Prinzessin Florentine darin zurück in den Festsaal zu rollen, jeder wollte ihr behilflich sein, immer schneller ging es, die Prinzessin lachte zuerst, dann schrie sie, und dann stieß die Kugel gegen eine Marmorsäule und zerbrach. Sofort versammelten sich die Prinzen wieder um Florentine, und jeder wollte den kleinen Glassplitter, der sich ihr in den Finger gebohrt hatte, herausoperieren. König Otto trat dazwischen.
»So«, sagte er, »das war’s. Das Fest ist vorbei. Ihr wisst ja, wo eure Kutschen stehen.«
Einzig Prinz Alphons, der die ganze Zeit abseits gesessen und auf eine günstige Gelegenheit gewartet hatte, die Prinzessin auch mal ein Stück durch den Hof zu rollen – vielleicht dann, wenn die anderen Prinzen müde geworden waren und keine Lust mehr hatten –, durfte bleiben.
»Der Junge ist ruhig und vernünftig. Er kann auf Florentine aufpassen und einen guten Einfluss auf sie ausüben«, sagte der König.
»Das kann er ja mal versuchen, der Langweiler«, zischte Florentine.
Der Hofmarschall riss dem Glasbläser die Siegerurkunde und den Golddukaten wieder aus den Händen und winkte damit den zweiten Preisträger des Ideenwettbewerbs, den königlichen Handschuhmacher, herbei. Der königliche Handschuhmacher verbeugte sich, bat die Prinzessin, ihre Hände vorzustrecken, und zog ihr zwei Fäustlinge an, die so dick wattiert waren, dass ihre Hände damit wie Pfannkuchen aussahen, und schnürte sie zu.
»Nehmt mir diese hässlichen Handschuhe sofort wieder ab«, rief Prinzessin Florentine. »Ich weiß doch, dass ich keine Spindeln anfassen darf.«
»Die Handschuhe bleiben dran«, sagte die Königin. »Eben hattest du schon einen Glassplitter im Finger. Und von einem Glassplitter zu einer Spindel ist es nur ein winziger Schritt.«
»Ich will die nicht«, schrie Florentine.
»Komm, lassen wir die jungen Leute unter sich sein«, sagte König Otto und schob die besorgte Königin hinaus, »Prinz Alphons kümmert sich schon, und wenn es richtig dicke kommt, kann man dem Schicksal sowieso nicht entgehen.«
Florentine fing vor Wut an zu weinen. Der geduldige Prinz versuchte sie zu beschwichtigen, dass es ja nur für einen einzigen Tag wäre, dann wäre die Gefahr wieder gebannt, und so ein Tag, das wäre ja gar
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