Grrrimm (German Edition)
Boden. Ich werfe mich auf mein Bett und weine laut. Es gibt Dinge, die ein Vater nicht von seiner Tochter verlangen darf. Der Frosch berührt mich an der Schulter. Ich schüttle den Kopf und stoße seine Schwimmhand fort. Der Frosch schickt sich an, ins Bett zu klettern. »Vielleicht widere ich dich nicht mehr so sehr an, wenn ich noch einmal für dich singe?«
In diesem Moment fliegt die Zimmertür auf, und mein Vater stürmt herein. Sein Gesicht ist rot wie gekochter Hummer und vor Wut ganz verzerrt.
»Du Schlammvieh«, schreit er, packt den Frosch an einem Bein und schleudert ihn mit aller Kraft gegen die Wand. »Und du …. du Hure – wir sprechen uns später«, brüllt er mir zu und rennt wieder hinaus. Die Tür knallt hinter ihm ins Schloss.
Der Frosch ist ein Lumpenhaufen auf dem Boden. An der Wand hat er einen großen feuchten Fleck hinterlassen. Ich hebe eine der schlaffen Schwimmhände an und lasse sie wieder fallen, dann halte ich mir mit aller Kraft den Mund zu, damit ich nicht schreien muss.
Am nächsten Morgen regnet es. Ich stehe im grünen Zimmer und sehe aus dem Fenster. Der Schnee im Park ist fast völlig getaut und der Kies von Reifenspuren durchwühlt. Noch in derselben Nacht haben sie meinen Vater verhaftet. Er konnte nicht fassen, dass sein Freund, der Frosch, ihn verraten hat. Aber ein Frosch ist nicht immer das, was er scheint. Ich sah zu, wie man meinem Vater die Handschellen anlegte.
»Kannst es wohl gar nicht abwarten, dass ich verschwinde«, sagte mein Vater. »Wie kalt und herzlos du bist.«
Und ich antwortete: »Was erwartest du – ich bin deine Tochter.«
Furcht und Schrecken verließen das Haus. Auf dem Schreibtisch blieben die beiden Hälften der goldenen Kugel zurück.
Jemand kommt aus meinem Zimmer. Jemand stellt sich hinter mich. Ich wage kaum, mich umzudrehen. Der rothaarige junge Polizist ist sehr dünn geworden und sieht elend aus mit fahler Haut und dunklen Ringen unter den Augen. Seine schwarze Lederjacke ist ganz brüchig geworden und an den Ärmeln ausgefranst. Er ist immer noch der schönste junge Mann, den ich je gesehen habe.
»Ich wusste die ganze Zeit, dass du es warst«, sage ich und drehe mich wieder zum Fenster. »Bist du mir also doch in den Wald gefolgt.«
Es regnet so stark, dass das Wasser von den Bäumen tropft. Er berührt mich vorsichtig am Arm. Immer noch geht eine amphibische Kühle von ihm aus. Ich rühre mich nicht. Ich warte, warte darauf, dass er seine Lippen an mein Ohr legt und unkenhaft gedämpft und weich die Töne aufsteigen wie vom Grund eines Sees.
»Komm«, sagt er, »komm hier weg.«
Der geduldige Prinz
un denn: Es waren ein König und eine Königin, denen wurde eine Tochter geboren, und die Königin beschloss, ein prächtiges Tauffest zu geben, wie man lange keines gesehen hatte.
»Ich dachte, du wolltest keine großen Feste mehr geben, weil dir allmählich alles zu viel wird«, sagte König Otto, aber daran konnte sich die Königin überhaupt nicht mehr erinnern. Sie lud fünfhundert Gäste ein und als Paten fast alle Feen, die es im Königreich gab – im Ganzen zwölf. Feen waren als Taufpatinnen überaus beliebt, weil sie immer die besten Geschenke mitbrachten.
»Zwölf Feen«, sagte König Otto, als er die Gästeliste durchsah, »findest du das nicht übertrieben? Meinst du nicht, man wird uns für raffgierig halten?«
»I wo«, sagte Königin Augusta, »das wirkt nicht raffgierig, sondern majestätisch – und denk bloß an die ganzen Geschenke!«
»Aber wenn du alle Feen des Reiches einlädst, dann musst du auch meine Cousine Fanny einladen. Sie ist sonst die Einzige, die nicht dabei wäre.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, sagte die Königin streng, »deine Cousine zieht sich merkwürdig an und kann sich nicht benehmen. Das letzte Mal hat sie dem König von Spanien das Schirmchen von seinem Eisbecher gestohlen. Außerdem hat sie noch nie ein vernünftiges Geschenk gemacht. Erinnere dich nur, was sie Prinz Alphons, dem Sohn von König Corso, zur Taufe geschenkt hat! Ach, du musst dich erinnern! Es ist gerade mal zwei Monate her. Geduld! Ich bitte dich, was soll er denn damit? Außerdem haben wir bloß zwölf Feenteller.«
Der König murmelte, dass Fanny immerhin zur Familie gehöre und dass man zusammen aufgewachsen und gemeinsam älter und dicker geworden sei.
»Das ist doch wichtiger als ein Papierschirmchen«, murmelte er. Aber er murmelte es so leise, dass er kaum zu verstehen war.
Das Tauffest
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