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Grrrimm (German Edition)

Grrrimm (German Edition)

Titel: Grrrimm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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fürchterliche Geruch von gekochtem Fleisch. Jemand klopfte ans Fenster.
    »Ich bin noch nicht fertig«, rief Bruder Lustig.
    »Lass mich ein«, sagte die Stimme seines Reisekameraden. Bruder Lustig lupfte die Gardine ein Stück und öffnete das Fenster. Der Herr Jesus kletterte herein. Er sah wütend aus.
    »Was versuchst du da, du Unverstand? Hast ja nicht einmal genau hingeschaut.«
    »Ich hab’s so gut gemacht, wie ich eben konnte«, erwiderte Bruder Lustig bockig, aber auch sehr erleichtert. Der Herrgott ging zu dem Gerippe und legte jeden zweiten Knochen an eine andere Stelle. Und wie es schon hell wurde, war er gerade fertig, sprengte sein Wasser über die Knochen, tat dreimal seinen Spruch, und kurz darauf stand die Tochter des berühmten Fußballspielers gesund und munter vor ihnen. Sie fragte, ob es schon Zeit für den Kindergarten wäre, und lief, ihre Eltern zu wecken.
    »Wenn sie uns Geld anbieten, darfst du nicht schon wieder ablehnen«, raunte Bruder Lustig dem Herrgott zu, »die Hälfte davon gehört schließlich mir. Deine Hälfte kannst du ja meinetwegen wieder zurückgeben, aber ich habe auf den Schreck eine Belohnung verdient.«
    Doch diesmal nahm der Herr Jesus das Geld widerstandslos an – es war eine ganze Sporttasche voll. Der Bruder Lustig durfte sie tragen, wobei er sie immer wieder an sein Herz drückte. Als sie weit genug gegangen und oft genug abgebogen waren, setzte sich der Herr Jesus an den Straßenrand, nahm das Geld aus der Tasche und zählte die Scheine auf drei gleich große Stapel.
    »Was wird das denn«, fragte Bruder Lustig.
    »Nun habe ich genau geteilt«, sagte der Herr Jesus, »einen Teil für dich, einen Teil für mich, und einen für den, der die Leber gegessen hat.«
    »Das war ich«, rief Bruder Lustig und grabschte nach den Scheinen.
    »Wie ist das möglich«, fragte der Herrgott, »ich dachte, ein Lamm hätte gar keine Leber?«
    »Natürlich hat es eine Leber. Warum sollte es keine haben? Weißt du was – jetzt, wo ich endlich Geld in der Hand halte, lade ich dich in ein schickes Restaurant ein.«
    Das war dem Herrn recht. Bruder Lustig hielt ein Taxi an, und sie ließen sich in das beste Restaurant der Stadt chauffieren und bestellten eine große Flasche Rotwein.
    »Gott sei Dank, dass die leidige Sache endlich aus der Welt ist«, sagte der Herrgott, nippte an seinem Weinglas und seufzte zufrieden. Aber als die Speisekarte kam, konnte er es sich nicht verkneifen, den Bruder Lustig ein bisschen zu necken.
    »Schau mal«, sagte er, »was die hier anbieten: Lammleber in Minzsauce – und dabei hat ein Lamm doch überhaupt keine Leber.«
    Augenblicklich verfinsterte sich das Gesicht seines Tischgenossen.
    »Hat es auch nicht«, sagte Bruder Lustig böse. »Was da auf der Karte steht, das ist bloß so ein Ausdruck für ein Gericht, das in Wirklichkeit aus ganz normalem Hackfleisch hergestellt wird. Das ist wie bei der Hamburger Aalsuppe – die wird schließlich auch nicht aus Aal gemacht.«
    Der Herr verschluckte sich und hustete einen Schwall Rotwein über das Tischtuch.
    »Aber du hast es doch vorhin selbst zugegeben, du hast es doch selbst gesagt, dass du die Leber gegessen hast …«
    »Da habe ich gelogen«, schnaubte Bruder Lustig. »Ich habe das bloß gesagt, damit ich das Geld bekomme. Und damit du endlich Ruhe gibst. Das wird bei dir ja allmählich zur fixen Idee, dass irgendjemand dir deine Leber weggegessen hat.«
    Der Herr Jesus schaute auf seine gefalteten Hände und versuchte, ruhig und konzentriert zu atmen.
    Bruder Lustig nahm die beiden Geldbündel aus seinem Tornister und klatschte sie auf den Tisch. »Da hast du dein Leber-Geld. Und meinen Anteil kannst du auch wiederhaben. Ich will ihn nicht. Aber eins sag ich dir: Du wirst niemals denjenigen finden, der die Leber gegessen hat. Weil ein Lamm nämlich gar keine Leber besitzt.«
    Und damit stand Bruder Lustig vom Tisch auf und stampfte zum Ausgang. Auf halbem Weg drehte er sich um.
    »Kannst du mir noch ein wenig vom Wasser des Lebens abfüllen? Meine Erkältung ist noch nicht richtig ausgeheilt.«
    Er hustete zum Beweis.
    »Oh nein«, sagte der Herr Jesus, »Du willst es doch nicht etwa noch einmal versuchen?«
    »Warum nicht? Letzte Nacht habe ich dir ganz genau auf die Finger gesehen und weiß jetzt, wo die Knochen liegen müssen.«
    Der Herrgott seufzte.
    »Versprich mir, dass du die Toten ruhen lässt, und ich schenke dir meine Jutetasche. Sie hat die Kraft, dass du alles, was du dir

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