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Grrrimm (German Edition)

Grrrimm (German Edition)

Titel: Grrrimm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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Unterlippe.
    »Schnell, gib mir deine Hand! Ich treib gleich ab.«
    »Willst du auch gestehen, dass du die Leber von dem Lamm gegessen hast?«
    »Ich habe deine verdammte Leber nicht gegessen. Wie oft soll ich es denn noch sagen? Schnell, gib mir deine Hand!«
    Der Herrgott seufzte und zog ihn heraus.
    »Du hättest dir wirklich keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um wieder mit deiner scheiß Leber anzufangen«, sagte Bruder Lustig erbost.
    Nicht weit und sie kamen an eine Kreuzung.
    »Hier trennen sich unsere Wege«, sagte der Herr, »denn ich mag nicht mit einem Lügner durch die Lande ziehen.«
    »Das musst du selber wissen«, sagte Bruder Lustig und nieste, weil er immer noch seine nassen Kleider trug. »Wenn du denkst, ich würde dich wegen einer dämlichen alten Leber anlügen, dann tust du mir leid. Ich war’s nicht, kapiert?«
    Er wrang einen seiner Ärmel aus und klapperte mit den Zähnen.
    Der Herrgott las eine kleine PET-Flasche vom Wegrand auf und füllte sie mit dem Wasser des Lebens. Davon sollte der Bruder Lustig stündlich einen Tropfen auf die Zunge nehmen, im Ganzen siebenmal, und jetzt adieu.
    Bruder Lustig sah dem Herrgott nach, wie er hinter der nächsten Wegbiegung in einem Wäldchen verschwand. Es ist gut, dass er abtrabt, dachte er, während er sich in die entgegengesetzte Richtung wandte, irgendwie war das doch ein unheimlicher Typ. Er setzte die PET-Flasche an den Mund, um den ersten Tropfen vom Wasser des Lebens auf seine Zunge rinnen zu lassen, aber dann überlegte er es sich anders, schraubte die Flasche wieder zu und steckte sie in seinen Tornister. Eine Erkältung, die ging schon von alleine weg. Wie Bruder Lustig so vor sich hin schritt, hielt auf einmal ein Kleinbus neben ihm, und vier junge Leute sprangen heraus. Einer von ihnen trug eine Filmkamera unter dem Arm.
    »Seid ihr der Wunderarzt, der die hoffnungslosen Fälle heilt?«
    »Gewiss, der bin ich«, sagte Bruder Lustig.
    Da schoben sie ihn gleich in den Kleinbus und verfrachteten ihn in die nächste Stadt zum Haus des berühmten Fußballspielers. Doch als sie dort in die Einfahrt bogen, kam ihnen bereits ein anderes Fernsehteam entgegen.
    »Ihr kommt zu spät«, sagte deren Kameramann, »das Kind ist bereits tot. Und im Gegensatz zu euch haben wir die Bilder.«
    »Nun, das werden wir sehen«, erwiderte Bruder Lustig, holte die PET-Flasche aus seinem Tornister, klingelte an der Haustür und rief:
    »Ich kann die Toten wieder zum Leben erwecken!«
    Daraufhin kamen zwei Sicherheitsleute aus dem Haus, packten ihn unter den Armen und setzten ihn außerhalb des Grundstücks wieder ab. Auch den Kleinbus scheuchten sie weg. Bruder Lustig wartete vor dem Gartenzaun, das Filmteam filmte das Haus, dann wurde es dunkel, und das Filmteam fuhr wieder davon. Bruder Lustig setzte sich auf den Boden, lehnte sich gegen den Gartenzaun und schlief ein. Um Mitternacht erwachte er davon, dass ihn jemand an der Schulter schüttelte. Die Frau des berühmten Fußballspielers stand vor ihm.
    »Leise«, sagte sie, »leise, mein Mann darf dich nicht hören.«
    Bruder Lustig ließ sich in die Küche führen und verlangte die größten Töpfe, die es gab, füllte sie mit Wasser und stellte sie auf den Herd. Dann trug er die kleine Tochter des berühmten Fußballspielers in die Küche, legte sie auf den Tisch und schloss sich mit der Leiche ein. Er zog die Gardinen zu, nahm die Messer aus den Schubladen und begann seine Arbeit. In einen Topf warf er die Arme, in einen die Beine, und in einen Topf tat er den Kopf. Den Rumpf musste er noch einmal in vier Teile sägen, um ihn im vierten Topf unterzubringen. Seine Hände zitterten dabei, aber am Ende waren doch alle Knochen blank, und er konnte sie aus der Brühe nehmen und auf dem Fußboden neu sortieren. Den Schädel nach oben. Dann die Wirbel für die Wirbelsäule. Rippen und Beckenknochen. Die beiden großen Knochen mussten die Oberschenkel sein. Aber all die kleinen würfelgroßen Stücke – wohin mit ihnen? Wohin bloß? Doch schließlich lag alles dort, wo es passend schien, und Bruder Lustig sprengte von dem Wasser des Lebens über das Gerippe und sprach: »Ich sage dir, Mädel, steh auf!«
    Nichts geschah.
    »Im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit, steh auf, verdammte Göre!«
    Bruder Lustig schüttelte die letzten Tropfen aus der PET-Flasche. »Steh auf, sag ich! Hörst du wohl, du Schlampe!«
    Nichts geschah. Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. Und überall war dieser Geruch. Der

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