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Grrrimm (German Edition)

Grrrimm (German Edition)

Titel: Grrrimm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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wieder verlöschen und fühlten uns gut bewacht. Auch als in der Ferne wieder die Wölfe heulten. Ich hängte mir den Korb über die Schulter und griff nach Rotkäppchens Hüfte, beziehungsweise dorthin, wo ich unter der Lage von zwei Wollröcken und einer Daunenjacke ihre Hüfte vermutete. Die Alte wackelte mit ihrer Laterne ein paar Meter vor uns und kriegte nichts mit. Rotkäppchen lehnte sich an mich, und die erleuchteten Fenster von Vifor tauchten für meinen Geschmack viel zu früh auf.
    Kimi Topolov stand in der Tür, als wir eintrudelten.
    »Was ist das denn für ein Aufmarsch«, rief er. »Wer ist der Kerl?« Er wies auf mich, sah aber dabei seine Schwiegermutter an. »Was soll das, Uchatka? Kein Mensch hat was davon gesagt, dass du hier heraufkommen sollst. Eine einzelne Aspirin hätte es vollkommen getan. Außerdem geht es mir längst wieder gut.«
    Rotkäppchen wollte sich klammheimlich aus meiner Umarmung winden, aber irgendetwas ritt mich, und ich hielt sie fest. Wütend riss sie sich los, sodass der Korb von meiner Schulter rutschte, und die Weinflasche, die den langen Weg von Vifor bis zur Hütte der alten Uchatka und wieder zurück schadlos überstanden hatte, fiel heraus und zerschellte auf der Straße.
    »Grrrimm«, machte der Wolfhund und stürzte sich völlig sinnlos wieder einmal auf Rotkäppchens Füße, schnappte knurrend und zähnefletschend in die hässlichen Moonboots, während um seinen Hals die roten Lichter blinkten.
    »Ein Wolf«, schrie Kimi Topolov. »Wieso bringt ihr einen verdammten Wolf mit? Seid ihr völlig verrückt? Reicht es nicht, dass ich einmal gebissen worden bin? Schafft ihn weg!«
    Dann aber glotzte er plötzlich auf die Weinlache, die sich im Schnee ausgebreitet hatte, und sein Gesicht verzerrte sich vor lauter Widerwillen.
    »Das ist bloß Wein«, sagte ich. »Bloß Rotwein aus der Flasche …«
    Aber anstatt sich zu beruhigen, begann Kimi Topolov zu würgen und die Augen traten ihm aus dem Kopf.
    »Äh, Rotwein«, würgte er hervor, »äh, äh! Bleibt mir weg damit, bleibt überhaupt weg, kommt mir nicht zu nahe.«
    Er drehte sich auf dem Absatz um und flüchtete ins Haus.
    »Hinterher«, rief die alte Uchatka, und wir rannten ihm alle nach, selbst der Wolfhund. Durch das Wohnzimmer, wo Rotkäppchens zahlreiche Geschwister, die sich um den Ofen geschart hatten, aufsprangen und uns folgten, bis in die Schlafstube, wo Kimi sich mit all seinen Kleidern, mit Hose, Jacke und Stiefel, ins Bett geworfen und die Decke über den Kopf gezogen hatte. Neben dem Bett stand Rotkäppchens Mutter und weinte. Als wir hereinkamen, fiel sie der alten Uchatka in die Arme.
    »Mama, Gott sei Dank, dass du da bist. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Er schlägt uns noch alle tot.«
    Kimi zog die Bettdecke von seinem Kopf und blinzelte uns misstrauisch an. Dann bekam sein Gesicht plötzlich einen weinerlichen Ausdruck.
    »Wasser«, greinte er, »ich habe Durst. Warum bringt mir denn niemand Wasser. Ihr wollt mich verdursten lassen und euch dann meine Stiefel unter den Nagel reißen. Aber ihr bekommt meine Stiefel nicht. Lieber fresse ich sie vorher auf.«
    Er setzte sich auf, beugte seinen Kopf Richtung Knie, verrenkte sein linkes Bein wie zu einer Yogaübung und steckte sich den linken Fuß samt Stiefel in den Mund und begann an dem Stiefelleder zu nagen und zu lutschen.
    »Holt ihm ein Glas Wasser«, sagte die alte Uchatka zu Rotkäppchen und ihren Geschwistern. »Schafft den Hund hier raus und bringt mir alles, was ihr an Stricken finden könnt. Wir müssen ihn festbinden.«
    Kimi Topolov nahm den Fuß aus seinem Mund.
    »Ja«, rief er knurrend wie ein Tier, »bindet mich fest. Bindet mich so fest ihr könnt. Ich kratz euch allen die Augen aus, wenn ihr mich nicht festbindet.«
    Die kleineren Topolov-Geschwister rannten bei diesen Worten heulend aus dem Zimmer. Die großen Jungen folgten ihnen in gemessenem Tempo, aber im Grunde nicht weniger verstört. Sie nahmen den Wolfhund mit nach draußen, um ihn dort anzubinden, während sie in der Scheune nach Stricken suchten. Rotkäppchens Mutter kam mit einem Glas Wasser zurück, setzte sich ängstlich neben ihren Mann auf die Matratze, hielt das Glas an seinen Mund und versuchte ihm etwas einzuflößen. Kimi wollte trinken, konnte aber nicht schlucken. Er würgte und würgte, die Augen traten wieder aus den Höhlen und das Wasser quoll ihm über die Unterlippe wie bei einem überlaufenden Eimer. Plötzlich sprang er aus dem Bett. Die alte

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