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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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gelassener Sex, weißt du, elegant fast. Der kann sich lange und ausführlich mit einer Frau beschäftigen, ohne dafür sofort eine Belohnung zu verlangen. Und der kann es, der weiß, wie es geht. Und er hat ein paar Sachen gemacht, die mir extrem gut gefallen haben, also, ich muss das jetzt nicht erklären, aber es war schön und geil und, wie soll ich sagen, irgendwie identitätsstiftend. Ich glaube, ihm hat es auch gefallen, es hat irgendwie gezündet zwischen uns. Es war erstaunlich guter, irgendwie vertrauter Sex, vor allem fürs erste Mal. Und ziemlich überraschend für einen, der so eitel wirkt. Weil so eitle, narzisstische Männer sind ja bekanntlich normalerweise keine guten Liebhaber, die denken nur an sich, sehen auch nur sich und überlegen bloß, wie sie wohl aussehen, beim Vögeln, ob sie auch gut aussehen und an den richtigen Stellen attraktiv schwitzen, völlig egozentrisch, solche Kerle. Normal schauen dir solche beim Vögeln nur in die Augen, um zu kontrollieren, ob ihre Haare beim Ficken auch gut aussehen und nicht unschön durcheinandergewuschelt sind. Bei John ist das erstaunlicherweise nicht so, obwohl der auf seine Haare eindeutig auch viel Wert legt. Und definitiv ins Fitnessstudio geht, ich würde sagen: Krafttraining, drei- bis viermal die Woche. Hat tüchtig was in den Oberarmen, und ich hab das ja gern, wenn ein Kerl zupacken kann. Und einen ziemlich hübschen Sixpack. Also der schaut auf sich; der will was hermachen. Aber trotzdem hat der mich, glaub ich, gesehen. Und ich hab ihn auch gesehen. Und es hat mir ziemlich gut gefallen, was ich gesehen habe. Zu gut fast, trotz dem, wie er dann später war. Oder vielleicht auch deswegen. Und er kann auch noch küssen. Das Küssen mit dem ... Richtig gut, das passte gleich mit dem. Wenn das schon nicht gepasst hätte, wäre gar nichts, wäre das alles nicht passiert, du merkst ja beim Küssen schon, wie einer ist. Wenn das Küssen nicht passt, gleich tschüss. Mit John hat das gepasst, gleich zusammengepasst, sein Küssen und mein Küssen. Hu. Ja. Himmel. Der gefällt mir. Ach, er hat mir gleich gefallen, sonst wäre ich nicht sofort mit ihm in die Kronenhalle-Bar. Und drei Stunden später ins Bett.
    Aber dass er mir so gut gefällt, das ist sicher ein Fehler. Denn wahrscheinlich hält der mich jetzt für eine Art Todesengel. Der Tag, an dem er mit mir geschlafen hat, bleibt für den für immer auch der Tag, an dem er dem Tod ins Auge geschaut hat, an dem er erfuhr, dass er todkrank ist. Also, wahrscheinlich. Und ich habe es ihm auch noch überbracht, von mir hat er die Botschaft, dass er vielleicht bald sterben wird. Ich hätte diesen Scheißbrief nie aufmachen sollen, aber was lässt er den auch so rumliegen? Das ist jetzt bei ihm vermutlich untrennbar verknüpft: Ich und der Tod. Ich und die Krankheit, zumindest. Ich und der Krebs. Wenn sowas an einem Tag zusammenfällt, schlimmer noch, von einer Person kommt, das kann ein Kerl nicht auseinanderdividieren. Das pappt zusammen, das kriegt der nicht so schnell auseinandergebacken, keine Chance. Könnte ich vermutlich auch nicht; aber ein Kerl noch viel weniger. Das kann der nie mehr entkoppeln. Sex und Tod. Sex mit mir und Tod.
    Andererseits, er hat es doch eh irgendwie gewusst. Er wusste, dass da in dem Brief nichts Gutes drin steht. Er hat zwar gesagt, er weiß nicht, was da drinsteht, keine Ahnung, aber das stimmt sicher nicht. Das ist ja gar nicht möglich. Der wusste schon, dass er krank ist und dass – das klingt jetzt pathetisch, aber es ist so – dass der Tod in ihm lauert, dass er längst hätte handeln müssen.
    Schon diese Schlägerei zwei Tage zuvor. Ich bin ja keine Psychologin, aber eigentlich sieht der gar nicht aus wie einer, der sich gern haut, oder gern hauen lässt. Da legen eitle Männer normalerweise wenig Wert drauf, dass man ihnen die Visage umbaut, und sein Auge hat noch nach zwei Tagen echt übel ausgesehen. Ich hab ihn gefragt, so haben wir uns im Café überhaupt kennengelernt, woher er denn das blaue Auge hat, und er hat mir erzählt, er hätte im Mascotte eine Tusse angegraben, noch dazu eine, die er eigentlich scheiße fand, und ihr Macker hat ihm dann die Fresse poliert. Ich meine, warum macht einer sowas? Das ist ja selbstmörderisch. Wollte der sich spüren, oder was? Wollte der sich selbst ablenken von seinem richtigen Problem? Ich glaube, der wusste im Prinzip schon lange, bevor ich den Brief aufgemacht habe, was Sache ist. Der hat das nur verdrängt. Der

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