Gruber Geht
Wien, und genau, genaugenau!, daher hatte Gruber im Flieger wohl auch ihr Gesicht gekannt. Weil sie einmal, Überraschung eins, auf einer Party seiner Firma aufgelegt hatte, auf einer Weihnachtsfeier oder so, vorletztes Jahr, als noch genug Geld dagewesen war, um D J s aus Berlin einzufliegen, zum Angeben und Corporate-Identity-Stiften. Gruber hatte damals eventuell versucht, sie anzugraben, er war sich nicht sicher, aber da sie sich an ihn nicht erinnern konnte, hatte er wahrscheinlich nicht. Denise zum Beispiel konnte sich erinnern, das traute sich Gruber wetten. Denise würde sich immer an so was erinnern. Jedenfalls war letztes Jahr die Weihnachtsfeier-Musik schon vom Band gekommen, heuer würde es vermutlich nicht einmal mehr Musik geben, nur noch verlogene Wir-müssen-jetzt-zusammenhalten-Ansprachen von verlogenen Arschlöchern, und Würstel mit Senf statt kreativem Fingerfood auf Meeresfrüchtetrüffelbasis. Was Gruber aber wurscht sein konnte, denn so wie es aussah, war er wohl eh nicht mehr so sehr lange bei der Firma. Egal. Er hatte gut angelegt. Und er hatte einiges in der Hinterhand. Egal, er würde da nicht ohne Gewinn rausmarschieren. Oder vielleicht würde er auch gar nicht rausmarschieren, sondern, wenn er seine Argumente auf den Tisch gelegt haben würde, ein langes Sabbatical antreten. Oder sowas. War aber egal jetzt.
Überraschung zwei erwischt Gruber wie ein warmer Luftzug, denn als er sie fragt, wo sie denn wohnt, wenn sie in Zürich arbeitet, sagt sie: «Im Greulich. Kennst du das Greulich? Sehr nett dort.»
Logisch, D J s gehören ja auch zur Kreativwirtschaft. Und die wohnen alle im Greulich. Und, o ja, Gruber kennt das Greulich jetzt, er kennt es jetzt sehr gut, jedenfalls das Zimmer achtzehn. Das hat er schließlich gerade eben zum ersten Mal seit mehr als zwei Tagen verlassen.
Und zwei oder drei Stunden später betritt er es auch schon wieder; besser, er stolpert, strauchelt, fällt hinein, denn er hat, während er die Tür ohne hinzusehen mit einer Hand aufsperrt, Sarahs Zunge im Mund, was seine kaputte Lippe nicht nur geil findet, und seine andere Hand unter diesem grauen Rüschending. Ihre Zähne klackern aufeinander, als er auf sein Bett und auf Sarah fällt und fühlt, dass sie schon wieder grinst. Er zieht ihr das Ding über den Kopf, ein Ärmel bleibt an ihrem Handgelenk hängen, sie zupft ihn über die Hand und knöpft, während Gruber (alles still in seinem Bauch) mit beiden Händen unter ihren B H und hinter ihren Rücken fährt, sein Hemd auf, wobei das Hemd einen Knopf einbüßt. Gruber überschlägt kurz, dass dies sein letztes intaktes Hemd auf der Reise war, aber sein Schwanz sagt: Scheiß drauf. Sarah nestelt an seinem Gürtel, kriegt ihn nicht auf, aber er hat ihre Jeans schon offen, zieht sie ihr samt Unterhose mit beiden Händen über den Arsch, aber sie bleibt an ihren Stiefeln hängen. «Weiberschuhe», sagt Sarah ein bisschen verlegen, «komplizierte Sache». Sie beugt sich vor, zieht irgendwelche versteckten Zipps auf und kickt die Stiefel durchs Zimmer. Sie ist nackt jetzt, sie streckt sich aufs Bett und sieht schön aus, lang und weiß und glatt, mit ein paar Dellen da und dort. Eine verblassende Tätowierung an der Hüfte, eine lange Narbe an einem Bein. Ihr Dreieck ist ein rasierter Streifen aus rötlichem Haar. Gruber kniet sich vor das Bett. Sarah sieht ihn an, während er langsam ihre Beine auseinanderdrückt und mit seinen Händen an den Innenseiten ihrer Schenkel hochfährt.
«Ich hab die Vogel gevögelt», sagt Gruber später. Er schwitzt wie eine Sau.
«Das hab ich ja noch nie gehört», sagt Sarah und Gruber braucht sie gar nicht anzusehen um zu wissen, dass sie grinst. Gruber hat von seiner Post-Prügel-Klausur noch zwei Flaschen Rotwein übrig, er entkorkt eine und füllt zwei Gläser. Licht fällt durch die geschlossenen Vorhänge auf das Leintuch, das Sarah sich über den nackten, feuchten Körper gezogen hat. Ihre Wangen sind gerötet, ihre Lippe blutet an einer Stelle, praktisch solidarisch zu seiner, ihr Haar, ein totales Durcheinander, leuchtet. Das Merkwürdige ist, dass sie nicht aussieht wie eine Frau, mit der er gerade zum ersten Mal geschlafen hat. Die er eben vor ein paar Stunden erst kennengelernt hat. Sie sieht aus, als würden sie sich schon lange kennen, vertraut. Gruber ist sich nicht sicher, ob das ein gutes Zeichen ist. Sollte nicht beim ersten Mal alles neu und merkwürdig und ungewöhnlich sein? Sollte er nicht viel nervöser
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