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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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Augen nicht ertragen, und das warme, entschlossen sich windende und gegen das Vergehen auflehnende Leben darin. Und diese geisteskranke Zuversicht. Und den Willen, jeden kleinsten Moment noch auszukosten. Keine Distanz mehr zwischen sich und das Glück kommen zu lassen, und das war wohl tatsächlich, Gruber fühlte es, das Standardglücksprogramm aus Kinderlachen, Baumblüte, guter Musik, schönem Essen mit echten Freunden, das Zucken eines Feuers, das Rauschen des Meeres. Dergleichen. Gruber waren diese Glücksgefühle auch nicht mehr ganz fremd, aber zugeben würde er das gewiss nie. Denn bitte, er, Gruber, existierte noch und beabsichtigte, es erst mal dabei zu belassen.

Er lebe übrigens noch, sagt Gruber, Kathi solle bitte nicht dieses grausige, unerträgliche Mitleidsgeschau auffahren.
    Sie mache sich aber Sorgen.
    Verstehe er ja, und eh nett, hülfe ihm aber nicht.
    Sie frage sich, was sie tun könne.
    Sie könne, nun ja, einen leichten Weißen entkorken und zwei Gläser füllen, und Wasser dazu, mit Eis, falls sie dergleichen vorrätig habe.
    Sie habe.
    Oder Gin Tonic, was halte sie von Gin Tonic, es sei doch endlich wieder ideales Gin Tonic-Wetter, Gin Tonic wäre doch jetzt optimal.
    Gin habe sie, Tonic sei aus.
    Dann also Wein, oder. Und, wenn es im Rahmen ihrer Möglichkeiten läge, würden ihn auch zwei Aspirin mit allergrößter Dankbarkeit erfüllen, ja, tatsächlich.
    Kathi schaut ihn mitleidig an, aber als Gruber mit seinem Tigerfauchen dem Wunsch Nachdruck verleiht, steht sie auf und geht nach drinnen. Hat schon gewirkt, als sie noch Kinder waren, funktioniert immer noch. Gruber bleibt auf Kathis Balkon sitzen, dreht den Sonnenschirm zurecht, legt die Beine aufs Geländer und sieht in die Bäume. Linden, rät Gruber, und eine Kastanie. Hinter und neben den Bäumen ragen Hauswände hoch, mit ebenfalls kleinen Balkonen dran, aber nur auf einem sitzt ein Mann in einem Liegestuhl und liest eine kleinformatige Zeitung. Es ist April. Es ist Sonntag. Es ist warm und still.
    Der Spießer ist mit den Kindern in den Zoo gefahren, Gruber hat ihn gerade noch kurz getroffen. Es hatte offenbar mächtig Krach gegeben, Gruber fühlte ein schweres, öliges Unverstehen zwischen den beiden, und ganz offensichtlich hatte der Spießer etwas gutzumachen, sonst wäre Kathi ja wohl mitgefahren. Hätte wahrscheinlich mitfahren müssen, oder hätte sich zumindest dazu verpflichtet gefühlt, Bobo-Familienglückstradition, man ist ja so happy together, macht so viel wie möglich miteinander, auch wenn’s in Wirklichkeit allen total am Arsch vorbeigeht. Diesmal blieb sie jedenfalls daheim und war zuvor ersatzweise durch die Wohnung gewuselt, hatte Kindersachen zusammengesucht und in eine Tasche gestopft, hatte Obst geschnitten und Brote geschmiert, von denen sie, wie sie in bemüht unbekümmertem Tonfall erklärte, schon wisse, dass sie wieder genauso eingepackt retour nach Hause kommen, weil die Kinder im Zoo eh nur Eis und Pommes essen würden. Dann war sie dem glücklich kreischenden Jüngsten mit grünen Sneakers nachgelaufen. Gruber stand derweil ein bisschen blöd herum, scherzte mit dem Kurzen, steckte den Größeren hinter Kathis Rücken Zwei-Euro-Münzen zu und tapste dann unentschlossen hinter Kathi her, die mit genau derselben pragmatischen Geschäftigkeit funktionierte, die auch Mutter an den Tag legte, wenn es galt, ungute Situationen elegant zu überspielen. Ein Talent, das Gruber in seiner Erbmasse vermisst.
    Gruber ist angeschlagen von der Nacht. Dafür hätte er Mitleid verdient, beziehungsweise zunächst einmal Respekt, denn wer nach so vielen Wodka-Red-Bull noch einen hochkriegt, der hat sich das bisschen Extra-Sex redlich verdient. Hinterher und bis zur Stunde herrschte natürlich Jammer und Zähneknirschen, erstens in Form von brutalem, ja dämonischem Schädelweh, und zweitens hatte er die Alte jetzt wahrscheinlich am Hals. Eindeutig die haftende Sorte, die man schwer wieder abkriegt. Drittens war die Frau, auch wenn Gruber erst jetzt, am nächsten Tag, zu so viel Ehrlichkeit und Selbsterkenntnis bereit war, ein Trostpreis gewesen. Die, die übrig geblieben war, die, die sich sein und Philipps Zoten-Ping-Pong lachend hatte gefallen lassen, eine Frau ohne Selbstwertgefühl, die ihre Freundin heimfahren ließ und einfach an Philipp und Gruber kleben blieb, offenbar ohne eindeutige Priorität für einen von ihnen. Was Gruber eigentlich hätte zu denken geben sollen und es jetzt auch tat, aber in der

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