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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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jetzt Lehrerin, kleine Kinder sind robuster als Weingläser.
    Warum sie und Tom sich gestritten hätten.
    Sie hätten sich nicht gestritten.
    Hätten sie aber wohl, er habe es doch riechen können.
    Na ja.
    Also was.
    Die Sauferei halt.
    Ach, Überraschung, wieder einmal.
    Er solle jetzt bloß nicht zynisch werden, er habe schließlich gefragt.
    Denn der Spießer hat seine Abgründe. Und zu ihrer Überraschung und überaus enden wollenden Begeisterung erblickte Kathi, als sie schließlich in diese Abgründe schauen musste, genau das alte Schlaksproblem, Sucht. Das hatte Kathi aber erst spät bemerkt, vermutlich weil des Spießers Suchtproblem sich in der Konvention des banalen Alkoholismus versteckt hatte, in unauffälligen Bier- und Weingläsern. So ein bisschen trinken tun ja alle. Der Spießer aber trinkt, wie sich dann zeigte, hin und wieder auch gern ein bisschen mehr. Wenn es die Situation erforderte, auch einmal viel, sehr viel mehr. Die Situation schien in letzter Zeit öfter besonders fordernd zu sein, wie Gruber die zusehends schattigeren Bitterkeitsfalten rund um Kathis Mund verrieten.
    Was denn gewesen sei?
    Ja, halt sturzbetrunken heimgekommen sei er wieder. Kathi sei aufgewacht und habe ihn gehört, er sei zu den Kindern hineingetorkelt und habe, wie sie hinterher feststellen musste, im Kinderzimmer das Licht angemacht und brennen lassen, er sei dann in die Küche, habe den halben Kühlschrank ausgeräumt, die Butter zermantscht und die Reste des Abendessens zum Aufwärmen auf den Herd gestellt. Dann habe er sich in Unterhosen an den Küchentisch gesetzt und sei sofort eingeschlafen. Sie sei ja eh schon immer alarmiert, wenn er um so eine Zeit eintrudle, sie wache zuverlässig auf, keine Leistung zwar bei dem Gepolter, und sei deshalb schließlich aufgestanden, um nachzusehen. Käme ja nicht zum ersten Mal vor.
    Gruber kennt die Geschichte schon, er hat sie, mit minimalen Abweichungen, schon ein paar Mal gehört. Und Kathi erzählt sie so routiniert, dass Gruber annimmt, dass drei oder vier der besten Freundinnen sie am Vormittag schon am Telefon erzählt bekommen haben. Gruber nimmt einen großen Schluck Wein und starrt, während Kathi redet, auf seine auf dem Balkongeländer liegenden Beine. Er ist, seine Leinen-Sneaker liegen am Boden, barfuss und trägt cognacfarbene – nicht: beige!, cognacfarbene – Chinos, hochgekrempelt wegen der sonnigen Frühlingswärme auf Kathis Balkon, er beugt sich vor und streicht mit der Hand beinah zärtlich über sein Schienbein. Kathi wirft ihm, während sie weitererzählt vom Spießer und seinen Saufereien, einen kurzen, irritierten Seitenblick zu. Wurscht. Das Bein fühlt sich gut an. Sieht auch gut aus, so braungebrannt und glatt. Schwul irgendwie, aber gut. Im Fitnessstudio hat ihn vor ein paar Tagen dieser Typ angemacht. Gruber hatte auf der Bank gelegen und seine Oberarme und die Brustmuskulatur trainiert, als der Typ neben ihm stehen blieb, auf Grubers Beine in den Sportshorts starrte und mit einem abartigen Strahlen feststellte: Oh! You shaved your legs! Nice! Gruber hatte mitten in der Bewegung abgestoppt, sich aufgesetzt, den breit grinsenden Trottel mit hartem Blick festgenagelt und gezischt: Ich habe Krebs, Arschloch. Die schwule Sau hatte vermutlich nur das letzte verstanden, das aber deutlich genug, denn er war sofort mit rotem Schädel abgedreht. Gruber hatte ihm wütend nachgesehen und verwirrt registriert, dass ihm der Hintern von dem Kerl auffiel und nicht völlig egal war, guter, muskulöser (hallo?!, geht’s uns noch gut?) Hintern. Heiliger. Gruber ist bitte aus tief empfundener, allerinnerster Überzeugung homophob und stolz darauf. Was soll denn das jetzt. Muss an den Medikamenten liegen. Das Anti-Brechmittel vielleicht, das hat möglicherweise ganz schlimme Nebenwirkungen, die noch nicht ausreichend erforscht sind.
    Tom versuche jetzt, sie zur Komplizin zu machen.
    Wie, zur Komplizin.
    Na, er meine, sie habe ihm gar nichts zu sagen, sie saufe ja selber.
    Er wolle sich ja jetzt, Entschuldigung, nicht auf die Seite des Spießers schlagen, aber da habe der Spießer ja wohl nicht unrecht.
    Nenn ihn nicht immer Spießer, er heißt Tom. Tom, Tom, Tom.
Tom!
    Sie müsse jetzt nicht gleich sauer werden.
    Doch, er wisse genau, dass sie das nerve, und ja, sie trinke auch gern, aber im Vergleich mit Tom sei sie maximal eine Amateurin.
    Eine Sonntagstrinkerin, sozusagen.
    Haha, das sei sehr lustig.
    Finde er auch, Prost.
    Sie lehnen beide an der warmen

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